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Freude und Leid in der Öffentlichkeit

■ Wirklich ultimativ: Der Überblick über die Orte, an denen man allen Süchten frönen kann

Es gibt schlimme und schlimmste Dinge im Leben eines Fußballfans, z.B. wenn Eintracht Frankfurt in die erste Liga aufsteigt oder Steffen Freund in die Nationalelf berufen wird. Zum Super-GAU für den Fußballbesessenen gehört aber, keinen Fernseher in seiner Nähe zu wissen, während Bertis Bolzer der WM-Glorie in Frankreich hinterhergrätschen – oder keine fußballbegeisterte Gesellschaft. Kein Grund zur Panik – in Hamburg gibt es jede Menge Kneipen, Restaurants und Plätze, an denen die Lederkugelsüchtigen hemmungslos ihrer Addiktion frönen können. Hier eine kleine Auswahl.

Zunächst die Großleinwände: Eine steht im September (Feldstr. 60, Tel. 43 76 11), eine weitere findet sich im Machwitz (Schanzenstr. 121, Tel. 43 81 77). Geprotzt wird im Borchers (Geschwister-Scholl-Str. 1-3, Tel. 46 26 77): Gleich sechs Glotzen sollen dafür sorgen, daß jedes Foul appetitanregend den TV-Junkies serviert wird. Wenn die einheitsdeutschen Elitekicker den Rasen umpflügen, wird zusätzlich eine Leinwand aufgebaut.

War doch klar: keine Sesterzen für Seminare, aber genügend Flocken für Fußball hat die Uni lockergemacht, um im Audimax (Von-Melle-Park 4) sportliche und multikulturelle Studien den Studierenden zu servieren. Dazu gibts noch weiteren Trillefizz wie Torwandschießen und Toto-Tippen. Auch das Cinemaxx 8 (Dammtordamm 1, Tel. 35 55 45 55) öffnet seine Tore für die Fußballverrückten – gegen Bezahlung. Des weiteren zeigen die Spiele: für sechs Mark die Rote Flora (Schulterblatt 71, Tel. 439 54 13) sowie kostenlos das Hafenklang (Große Elbstr. 84).

Loddar läßt grüßen: Wie ausgemusterte Kicker werden auch ausrangierte Kinos für die WM nochmal reaktiviert; im Aladin 1 (Reeperbahn 89, Tel. 31 47 22) werden alle Spiele auf Großleinwand übertragen. Der Haken: Jedes Vorrundenspiel kostet sechs Mark, aber jeder Kick der deutschen Combo dagegen zehn. Geht die Knete etwa in den Matthäus-Rentenfond?

Die gierigen Fans gehen dann lieber ins M&M (Weidenallee 24, Tel. 41 82 75) oder ins Woodpecker (Max-Brauer-Allee 86, Tel. 38 25 56), wo in normaler Flimmerkiste alle Spiele auch ohne Abzockerei gezeigt werden; auch bei den Auftritten der deutschen Eleven wird kein Zuschlag erhoben – aber auch kein Schmerzensgeld gezahlt.

An letzteres wird sicherlich niemand denken, wenn die brasilianische Mannschaft zaubert. Das Café Schöne Aussichten (Gorch-Fock-Wall 2, Tel. 34 01 13) überträgt die Spiele von Ronaldo & Co. Auch die Fangemeinde der Mexikaner wird versorgt: Bei mexikanischen Spezialitäten werden im Tacos y Tapas (Thadenstr. 49, 43 25 31 55) die Spiele der Mittelamerikaner übertragen, aber auch die Matches ihrer kontinentalen Kollegen aus Argentinien, Chile, Kolumbien, Paraguay sowie aus den USA werden transmissioniert. Letztere gibt es insbesondere bei den Filialen der Kette Hollywood Canteen (Ottenser Hauptstr. 52, Tel. 39 88 88, Faberstr. 9, Tel. 851 55 50, Gärtnerstr. 94a, Tel. 49 80 35 sowie Langenhorner Chaussee 679, Tel. 527 50 15) auf der Mattscheibe zu bejubeln – oder zu bedauern.

Ganz anders die süd- und westeuropäischen Mannschaften aus Italien, Spanien und Frankreich. Die Squadra Azzura sollte im Little Italy (Osterstr. 22, Tel. 40 17 14 87) bestaunt werden, wenn Del Piero wie einst Günter Netzer mit der Hacke wirbelt. Die spanischen Matadore können im Beira Rio (Reimarusstr. 13, Tel. 31 36 26) beim Hecheln in den Arenen verfolgt werden. Was Djorkaeff, Zidane & Co. zu bieten haben, ist vom Allerfeinsten. So auch das Alfred (Große Brunnenstr. 61a, Tel. 390 85 69), wo die Equipe Tricolore über den Bildschirm geistern wird.

Geister hin, Käse her: Die niederländischen Asse sowie die belgischen Fritten zeigt Der Amsterdamer (Münsterstr. 40, Tel. 553 74 00), während die Skandinavier aus Norwegen und Dänemark in Hamburg leider keine Flagge zeigen. Dafür darf in der Wiener Café Bar (Ballindamm/Binnenalster, Tel. 33 63 42) gejodelt werden, wenn Krankls Erben wieder narrisch der deutschen Elf eins überbraten, just 20 Jahre nach dem lustigen 3:2-Sieg in Cordoba. Edi Finger, wir hoffen auf dich!

Gebraten wird in den jugoslawischen Restaurants sowieso, aber auch die Spiele der Balkanteams können trotz aktueller politischer Spannung in deeskalierender Atmosphäre genossen werden: Das Anadolu (Johnsallee 64, Tel. 45 14 55) sowie das Atnall (Rutschbahn 11, Tel. 410 38 10) zeigen die Kicker aus Bulgarien, Jugoslawien, Kroatien und Rumänien live bei der schweißtreibenden Arbeit.

Da wird's brenzlig: England und Schottland können theoretisch zwar erst im Halbfinale aufeinandertreffen, aber genügend Zündstoff gibt es traditionell zwischen beiden Fanlagern. Tip: getrennt glotzen. Bravehearts sei das Shamrock (Feldstr. 40, Tel. 430 76 78) empfohlen, John Bulls werden im Murphy's (Bismarckstr. 60, Tel. 40 02 35) auf ihre Kosten kommen. Bei Dexter's (Görnerstr. 21, Tel. 480 08 68) darf aber auch in trauter britischer Eintracht einem fehlenden Paul Gascoigne oder einem legendären Kenny Dalglish nachgetrauert werden.

Wer nicht trauern, sondern afrikanisches Flair genießen will, sollte ins Farafina (Karolinenstr. 2, Tel. 430 70 70) oder ins Fulladu (Schanzenstr. 111, Tel. 439 00 40) gehen. Paradiesvogel Roger Mila wird zwar nicht hinter dem Tresen stehen, aber Fans der Mannschaften aus Kamerun, Südafrika und Nigeria werden trotzdem auf ihre Kosten kommen. Ebenso werden beide Lokalitäten die Spiele der jamaikanischen Mannschaft übertragen; garniert wird das ganze mit einem exotischen Soundcocktail aus Reggae und Soul.

Kein Grund zum Harakiri ist die Tatsache, daß bei den Spielen der Teams aus Japan und Südkorea strikte Trennung gilt: Im koreanischen Restaurant SoNaMu (Eppendorfer Weg 159, Tel. 49 37 76) werden nur die Spiele von Bum Kun Chas Elf gezeigt, aber definitiv nicht die Auftritte der japanischen Kicker. Da weht der Mantel der Geschichte – leider in die falsche Richtung. Des Tennos Talente werden dagegen aller Wahrscheinlichkeit nach im Japanstübchen (Hoheluftchaussee 49, Tel. 420 26 61) ausgestrahlt – technische Probleme standen bei Redaktionsschluß kurz vor der Behebung.

Wo insbesondere der marokkanischen und saudi-arabischen Mannschaft zugejubelt werden kann, steht nicht fest. Dieser triste Befund gilt auch für die Teams aus Iran und Tunesien, die nicht nur in Frankreich ein Außenseiterdasein fristen, sondern offenbar auch in der Elbmetropole.

Wer die Katastrophen-Kommentare von Fassbender und Wark nicht ertragen kann, dem sei das R&B (Weidenallee 20, Tel. 44 10 44) ans Herz gelegt. Der Ton ist abgedreht, und jeder kann sich selbst als Schwafelheribert nach Lust und Laune austoben. Das Fritz Bauch (Bartelsstr. 6, Tel. 430 01 94) zeigt ab 17 Uhr die Nachmittags- und die Highlightspiele des Abends. Dem Fußball-Overkill beugt auch Omas Apotheke (Schanzenstr. 50, Tel. 43 66 20) vor: Auf großer Leinwand werden nur die wichtigsten Spiele gezeigt. Kunst und Fußball verbindet das Stadion der Freundschaft (Margaretenstr. 43, Hinterhof, Tel. 43 25 28 59). Hier finden sich neben einer Großbildleinwand auch Exponate zum Thema Fußball, ein Kicker und weitere sportspezifische Mätzchen. Empfohlen seien generell der Dschungel (Schanzenstr. 27), das Cocteau (Wohlwillstr. 20, Tel. 319 65 37), das Gloria (Bellealliancestr. 31, Tel. 43 29 04 64) sowie das Quer (Hans-Albers-Platz 8, Tel. 319 64 99), wo in relaxtem Ambiente gefeiert, gelitten und gebechert werden darf. Und jetzt der Anpfiff, bitte! Marcus Vogt

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