piwik no script img

Teurer Behördenschlaf

■ Bezirk Mitte verschlampt Kündigung des Hotels „Interrast“ auf St. Pauli

Aus der Not heraus sei die Lösung geboren, Flüchtlinge im schäbigen Hotel „Interrast“ auf der Reeperbahn zu beherbergen. Das beteuern VertreterInnen des Bezirksamtes Mitte seit Jahren. Und ebenso ihren Willen, das heruntergekommene Etablissement bald aufzugeben. Nun wurde bekannt, daß das Bezirksamt eine mögliche Kündigung zum Februar diesen Jahres schlicht verschlampt hat. Während die Bezirksversammlung nun Akteneinsicht beim schludrigen Amt verlangt, weigerte sich die Sozialbehörde gestern, Fragen zu beantworten.

Frühestens im Februar 2000 könne der Mietvertrag für das Kiezhotel gekündigt werden, hatte Amtssprecher Gerthold Roch erst Ende Mai bedauert, nachdem der Hamburger Flüchtlingsrat erneut die „menschenunwürdige Unterbringung“ angekreidet hatte. Diese Kündigung sei bereits ausgesprochen, betonte er eifrig. Überdies versuche das Amt derzeit, einen Teil des Hotels schon früher aufzugeben. Darüber liefen Verhandlungen mit dem Besitzer Willy Bartels.

Der lacht sich unterdessen ins Fäustchen. Für die schäbige Behausung kassiert der Immobilienkönig von St. Pauli nämlich vom Bezirk fast eine halbe Million Mark monatlich. Für die Summe muß er derzeit im Interrast nur rund 450 Flüchtlinge beherbergen. Über 200 Plätze sind nicht belegt.

Daß die Zahlen der einreisenden Flüchtlinge rückläufig sind, ist der Grund dafür, daß das „Interrast“ für den Bezirk verzichtbar wird. Vor einem Jahr jedoch, als man die Kündigung für diesen Februar hätte aussprechen müssen, hatten noch 600 Flüchtlinge dort gewohnt, so Roch. Ob man die Unterkunft weiterhin benötige, habe man nicht absehen können. Roch räumt ein: „Der Zeitpunkt der Kündigung ist uns etwas aus dem Blickfeld gerutscht.“ Auch Bezirksamtsleiter Rolf Miller hält es für möglich, daß „vielleicht mehrere gepennt haben“. Der Behördenschlaf kostet die Stadt zig Millionen. Dafür dürfen Flüchtlinge dann weiterhin auf der Reeperbahn hausen – zwischen Kakerlaken und schimmeligen Wänden. Elke Spanner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen