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„Das kann man nicht ausschlagen“

Schröders Wirtschaftsmann Jost Stollmann, Europas Unternehmer 1990, hat das Standortgejammere satt. Der Firmengründer von Compunet und fünffache Familienvater setzt auf Sozialkompetenz  ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Wenn sich Gerhard Schröder und Jost Stollmann vor zwanzig Jahren begegnet wären, hätten sie sich wahrscheinlich noch die Thesen aus ihren unterschiedlichen Parteiprogrammen an den Kopf geworfen. Denn damals war Schröder noch Juso und Stollmann in der Jungen Union. Nun ist der eine aussichtsreicher Kanzlerkandidat, der andere Wirtschaftsminister im SPD-Schattenkabinett – und beide machen sich nicht mehr viel aus Programmen.

Der parteilose 43jährige Unternehmer Jost Stollmann also ist der Mann aus der Wirtschaft, nach dem Schröder so lange gesucht hat. Firmengründer von Compunet, einer Hardware- und Dienstleistungsfirma, die zuletzt 1,73 Milliarden Mark Umsatz gemacht hat. Ein Edel-Arbeitsloser, seit er vor einem halben Jahr endgültig aus seiner Firma ausstieg, die er bereits vor zwei Jahren an den US-Konzerngiganten General Electric verkauft hatte. Einer, der die Zeit nutzt, um zu reisen und endlich die Bücher zu lesen, die jahrelang liegenblieben. Ein selbstbewußter Mann, der sich nicht ziert zu sagen, daß man ein Angebot wie das von Schröder nicht ausschlagen kann.

Bei dieser Nachricht mag sich Hans-Olaf Henkel auf die Lippen gebissen haben. Der Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) hatte schon gehöhnt, daß sich keine führende Unternehmerpersönlichkeit finden würde, die ihren Namen einer „linkslastigen Parteikampagne“ geben würde. Hätte sich doch einer gemeldet – denn so hat Henkel es jetzt mit einem zu tun, der das Standortgejammere satt hat. Der sagt, Deutschland sei ein Unternehmerparadies. „Im Silicon Valley beäugen sich alle mißtrauisch, hier aber kann jeder voll durchstarten.“ Der streitbare Manager schaltete schon 1996 großformatige Anzeigen „Dieses Land ist gut für Erfolg“ oder „Zu hohe Nebenkosten? Laßt uns über Leidenschaft reden!“

Und er ist nicht irgendwer – 1990 wurde er „Eurounternehmer des Jahres“ und kam damit in zahlreiche Talkshows. „Wer Erfolg haben will, muß wie eine Gazelle sein: flink, wendig und voller Tatendrang“, sagt Stollmann und meint damit wohl auch sich selbst. Das ist so ganz das Gegenteil der erstarrten Industrieelefanten, die Henkel vertritt. Und auch die Organisation von Arbeit bei Stollmann würde Henkel nicht gefallen: Compunets Erfolg beruhe auf der Abschaffung des Dienstweges und einer „extremen Hierarchiearmut“, so Stollmann. „Wir glauben gern, daß Technik das Problem lösen kann: Fax, Telefon, Internet. Aber das reicht nicht weit, der Rest ist Sozialkompetenz.“

Stollmann will das Wirtschaftsministerium mit dem Ressort Forschung und Technologie zusammenführen, um bloß kein „Frühstücksdirektor“ zu werden. Dort will er gleich die besten Köpfe zusammenrufen, „damit wir in sehr kurzer Zeit eine Vision für dieses Land ausarbeiten“. Nur daß die Bonner Ministerien sicher etwas mehr Wert auf Hierarchie legen werden als Compunet. Stollmann stellt sich seinen künftigen Job wie das Leiten eines Unternehmens vor – Politiker habe er nie werden wollen, und das wolle er auch künftig nicht. Was ist dann aber ein Politiker?

Ob das nun kokett oder naiv gemeint ist – Stollmann ist ein Farbtupfer in Schröders bislang farblosen Schattenkabinett. Ein Mann mit so viel Familiensinn, daß die CDU ihn fürchten muß. Mit seiner Frau Fiona, früher Unternehmenssprecherin bei Compunet, hat er fünf Kinder. Nun bauen beide die Initiative „create.it“ auf. Eine Internetseite, über die Kinder kommunizieren, gemeinsam planen und eigene Projekte, wie eine „Umweltpatenschaft für einen Kilometer Rhein“ umsetzen können. „create.it“ soll Schulen, Museen und Kinderzimmer vernetzen und den Kindern Unternehmergeist und soziale Kompetenz mitgeben.

Wahlkampf will Stollmann nicht machen. Er müsse erst noch eine „kreative Phase“ einlegen. Die Zeit wird er zu nutzen wissen: In seinem Stapel ungelesener Bücher liegt seit neuesten auch das SPD-Wahlprogramm. Kommentar Seite 12

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