■ Heribert: Rätselhaftes Wasserglas
Heute in unserer WM-Kolumne: Alles über öffentlich- rechtliches Fußballdesign
Schon in sieben Tagen werden sie wieder aus der aktuellen Fußballberichterstattung verschwunden sein, die öffentlich- rechtlichen „Männer ohne Unterleib“. Dort, wo sonst die Beine sind, haben Poschmann, Kürten&Co. ja Stehpulte – wie echte Nachrichtensprecher. Und die Stahl-Neon-Plexi-Kombi vor Delling und Netzer kommt besonders spacig.
Nur: Warum hat ausgerechnet Klaus Allofs immer die meisten Zettel vor sich liegen? Rätselhaft auch das Wasserglas auf Poschmanns Katheder. Ist es dasselbe, das vor Beginn der Bundesligasaison 92/93, als die „Sportschau“ ihren Sendeplatz an „ran“ verlor, immer auf Heribert Faßbenders Pult thronte? So eine Art Staffelholz? Je vor Publikum genippt haben aber weder Faßbender noch Poschmann. Warum auch? Sie hatten ja während der Spielberichte genug Zeit dazu. Wohl doch nur einfach ein dramatisches Accessoire.
Zu so beruhigend durchsichtiger TV-Inszenierung paßt, daß man uns während der WM nicht mit billigen Statistiken quält. Sparsam heißt es nach den Spielen: „Wir lösen das jetzt mal auf“. Diese digitale „Auflösung“ erhellt dankenswerterweise nicht nur Abseitsfragen, sondern auch raffinierte Freistoßvarianten. So macht technischer Schnickschnack Sinn! Ansonsten analysiert man bei ARD und ZDF die Spiele auf der Basis bloßen Zuguckens und Erinnerns. Ausnahme: J.B.K., der wohl unspontanste Moderator der Welt. Berti Vogts habe sich vorm Wehrdienst „gedrückt“, aber trotzdem „eine Menge für Deutschland verteidigt“ – den hatte er garantiert schon vor der WM auswendig gelernt. Wie wohltuend dagegen selbst „Heiserchen Heriberts“ Kommentar der Partie England–Argentinien, in dem „el chefe“ darauf verzichtete, den deutschen Metaphernschatz zu bereichern. Welch Wohltat auch Michael Steinbrecher – als Interviewer quasi der Waldemar Hartmann des ZDF – verglichen mit Beckmann, dessen Befragungen nichts anderes sind als verbale Nasenbohrerei.
Schon nach der Sommerpause kommen sie wieder, die kreisenden Handkameras, die hektischen „ran“-Schriftzüge, Beckmanns Barhocker und Wontorras Kalauerei. Die ganz normale, private Fußballberichterstattung am Ran(de) des Nervenzusammenbruchs eben. Genießen wir also die verbleibenden sieben Tage. Claudia Thomsen
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