: Der legale Pirat zur Sogenannten
■ Sechzig Stunden Blubbern, Tschuckern, Bleepen, Wummern – nonstop, very advanced, very housy und laid back: Das Eventradio BFM 104,1 sendet den On-air-Soundtrack zur Love Parade
„Beim nächsten Ton ist es null Uhr, null Minuten und null Sekunden“, sagte die Zeitansage der Telekom in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. Doch auf der UKW-Frequenz 104,1 Mhz war gar kein Ton zu hören. Auch als es dann „zwei Uhr, zweiunddreißig Minuten und zehn Sekunden“ hieß: ätherisches Rauschen.
Nun ist das für die übrigen Tage im Jahr auch ganz normal so. An diesem Wochenende aber wollte – eingekeilt von den Dudelfunkern Radio Energy und RTL – das „Deutsche Sound Radio BFM“ die Hauptstadt auf 104,1 Mhz mit „Advanced Electronic Music“ beglücken. Sechzig Stunden lang. Nonstop. Doch ein Softwarefehler bei der Telekom verzögerte den mitternächtlichen Sendestart zunächst bis in die frühen Morgenstunden. Seitdem jedoch blubbert, tschuckert, bleept und wummert es dann doch – very advanced und housy dazu...
„Veranstaltungsfunk“ nennt sich derlei Kurzzeitradio im Schützenfestdeutsch der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, die der Deutschen Sound Radio GmbH (DSR) die Antennenfrequenz vorübergehend zur Verfügung stellte. Der 30jährige BFM-Macher Marco Beyer nennt das Projekt in seinen minimalistischen Moderationen trotzdem lieber „Eventradio“ und als Grund dafür (very advanced, very lakonisch) „die ultimative Parade ... die Liebesparade ... die sogenannte“.
Daß er selbst wohl kaum aus dem Studio im Prenzlauer Berg und in die Nähe der Love Parade kommt, macht ihm nichts. Auf die tollen Leute von Planetcom und deren Veranstaltungspolitik ist auch Beyer nicht gut zu sprechen. (Wen wundert's? Schließlich hatte er in der BFM-Vorbereitung mal mit ihnen gesprochen...) Außerdem sei er schon zweimal dabeigewesen: „Das langt.“
Dennoch wird Beyer an diesem Wochenende vermutlich noch weniger Schlaf bekommen als die paar hunderttausend Raver. Denn mag das B in BFM nach Aussage des Erfinders auch für „Berlin“ stehen, so sind es doch allein „Beyers Frequenz-Modulationen“, mit denen sich die Musikwütigen in Taxis, Ravemobilen, Hotelzimmern etc. beschallen lassen werden: BFM ist ein „Ein-Mann- Projekt“, wenngleich auch keine Dilettanterie: Gesponsert wird das Programm, unüberhörbar, vom Energydrink Lipovitamin B3 („Aufreißen, einfüllen, aufdrehen!“), unterstützt vom Erfolgslabel Motor Music; und auch sonst haben die guten Kontakte und seine Mitarbeit beim Berliner Kabelsender Jam FM (105,85 Mhz) und dem Kölner Elektronikradio Evosonic dem 30jährigen bei der professionellen Vorbereitung gewiß nicht geschadet.
„M.A. Radio“ steht im DSR- Briefkopf hinter Beyers Namen, weil er in London seinen Magister in Radiowissenschaften gemacht hat. Und aus der Anglometropole kommt auch die ambitionierte Idee, die große Parade und ihre Parties (zu 20 Prozent sogar mit DJ- und Politikerinterviews, Berichten von Vorortreportern usw.) „begeistert bis kritisch zu begleiten“. In London nämlich gebe es allerlei „pirates“ (Piratensender), die recht unbehelligt von den Rundfunkbehörden die Radiolandschaft aufmischen. Und weil das mit den pirates hierzulande schwierig (bzw. streng verboten) ist, hat er sich für die legale Lösung des „Eventradios“ entschieden. Doch die zweieinhalbtägige Eventfrequenz ist nur der Anfang. Wenn jetzt alles gut geht, will sich das DSR bis zum Herbst um eine feste Frequenz bemühen. Dann soll auf 94,8 Mhz (von wo derzeit auch das Jugendradio Fritz sein öffentlich-rechtliches Veranstaltungsprogramm über den Äther schickt) eine Art Radio-Café on air gehen: transparent, zugänglich, ein „Konglomerat der Kreativität“, so Beyer, „als Plattform zwischen einerseits DJs, Produzenten, Labels, Videokünstlern etc. und andererseits der Politik, Wissenschaft und Wirtschaft sowie den übrigen Interessierten“.
Und so ein neues Radio hat unsere gute alte Hauptstadt inzwischen ja auch (wieder) bitter nötig – nicht zuletzt, seitdem das Ex-„DJ Radio“ Kiss FM seit seinem Start vor sechs Jahren kontinuierlich in die Kommerzialität abgedriftet ist und man eigentlich jederzeit damit rechnen muß, daß einem auf 98,8 plötzlich doch Phil Collins entgegenplärrt. Und darauf wird man beim elektronischen Laid-back- Radio BFM wohl noch lange warten können. Christoph Schultheis
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