: Politiker verbuchen den Erfolg der Fußballer für sich
■ Frankreichs Politprominenz singt das Loblied auf das französische Modell. Aber daß immer wieder die Hautfarbe der Fußballspieler hervorgehoben wird, zeigt nur eine neue Art Rassismus
Der Erfolg hat viele Väter, das ist bekannt. Deshalb mußte Frankreichs neogaullistischer Staatspräsident Jacques Chirac am Sonntag abend bei der Verleihung des WM- Pokals auf eine Bank steigen, um trotz der vor ihm jubelnden großgewachsenen Fußballer noch sichtbar zu sein. Deswegen mußte der sozialistische Premierminister Lionel Jospin im Life-Interview noch vor Beginn des alles entscheidenden Spiels im Fernsehen sein, um sich ganz unbescheiden mit Nationaltrainer Aimé Jacquet zu vergleichen, der auch ein Mann sei, der täte, was er sage. Und deswegen muß jetzt auch noch eine „nationale“ Erklärung für den Erfolg der Nationalmannschaft her.
Sie lautet: Die Farben der französischen Fußballmannschaft seien ein sichtbares Zeichen für den Erfolg der „integration à la française“. Eben jenes Modells des republikanischen Bodenrechtes, wonach Menschen, die in Frankreich geboren sind, Anspruch auf die französische Staatsangehörigkeit erheben können. Dieses hohe Loblied war am gestrigen Tag des Sieges quer durch alle politischen Lager im Lande des neuen Fußball-Weltmeisters zu hören.
Bloß den Beweis für den vermeintlichen Zusammenhang zwischen Fußball und Integration lieferte niemand.
Vielleicht, weil das gar nicht geht. Denn im Gegensatz zu dem neuen und bis vor kurzem unerwarteten Erfolg im Fußballsport, ist das französische Integrationsmodell zuletzt schwer ins Stocken geraten. Daran hat vor allem die Absicht des Innenministers der gegenwärtigen Regierung, über 70.000 integrationswillige Immigranten abzuschieben, nichts verbessert.
Die Tatsache, daß zahlreiche Spieler der Nationalmannschaft eine dunkle Hautfarbe oder einen ungewöhnlich klingenden Familiennamen haben, hat vor allem mit Frankreichs kolonialer Vergangenheit in Asien, Afrika und Amerika zu tun sowie damit, daß Frankreich historisch ein Einwanderungsland ist. Nicht einmal eine besondere französische Art der Vergabe der Staatsangehörigkeit ließe sich mit der Nationalmannschaft beweisen. Denn bloß Marcel Desailly ist im Ausland geboren (1968 in Ghana) und nachträglich – im für Spitzensportler üblicherweise vereinfachten Verfahren – Franzose geworden.
Statt die ins Stocken geratene Integration zu fördern, statt die Staatsbürgerschaft jenseits der Hautfarbe zu bewerten, zeigen die Loblieder auf die vermeintliche Integration à la française einen kaum verholenen neuen Rassismus. Schon die Tatsache, daß die Hautfarbe der Fußballspieler so oft und von so vielen erwähnt wird, ist ein beunruhigendes Zeichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen