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"Alternative Dreckschleudern"

■ Abenteuer BVG: Der Vorwurf, er habe eine taz-Mitarbeiterin nicht mitgenommen, bringt einen Busfahrer in Rage. Er will nicht "vor Schmierfinken auf die Knie fallen und einschleimende Entschuldigungen abgeben".

Eigentlich wollten wir unsere Leser ja gar nicht damit behelligen. Schon wieder ein muffeliger Busfahrer, der einer taz-Mitarbeiterin übel mitspielte? Doch manchmal hat schon eine kurze Anfrage bei der BVG überraschende Konsequenzen. Der Busfahrer selbst wandte sich an die taz-Redaktion – in einem Brief, der eine Veröffentlichung verdient. Doch zunächst die Darstellung unserer Mitarbeiterin:

Am Mittwoch, dem 1. Juli 1998, um 11.30 Uhr, stand ich an der Bushaltestelle Körtestraße in Kreuzberg und wartete auf den Bus. Da sich die Fahrer der Linie 241 erfahrungsgemäß ohnehin nicht immer an die Zeiten des Fahrplans halten, war ich ein wenig verwundert darüber, daß der Bus drei Minuten zu früh eintraf. Verwundert war ich allerdings, als sich die Türen trotz meines Knopfdrucks nicht öffneten und der Busfahrer innerhalb von Sekunden sein Fahrzeug wieder in Bewegung setzte. Komisch. Ich hatte vorbildlich am Haltepfosten gestanden, um beim Einsteigen keine Zeitverzögerung zu verursachen (ein wenig kann man die Marotten der Fahrer ja allmählich einschätzen), hatte weder ein Eis noch einen Döner in der Hand. Warum hatte mich der Fahrer nicht einsteigen lassen?

Um mir vorstellen zu können, warum mich der Busfahrer nicht hatte einsteigen lassen, fuhr ich mit dem nächsten Bus an mein Fahrziel Hallesches Tor – in der Hoffnung, den Fahrer des Busses 241 dort zur Rede zu stellen. Tatsächlich, am Halleschen Tor stand der Wagen 2684 noch an seiner Betriebshaltestelle: die Türen offen, der Fahrer, so um die Fünfzig, coole Sonnenbrille und eisige Miene. Seine Erklärung zum Vorfall in der Körtestraße: „So ist es halt. Die einen dürfen rein, die anderen nicht.“ Dabei sah er mich nicht mal an. Songül Cetinkaya

Der Busfahrer schrieb uns:

Da ich der Fahrer des Autobusses war, möchte ich Ihnen meine Version dieser Märchengeschichte mitteilen.

Am 1. 7. 98 war ich der Fahrer des Autobusses 2684, habe auch alle Haltestellen korrekt angefahren. An der Endstelle Hallesches Tor kurz vor der Abfahrt kam eine Person an den Autobus und fing an, mich zu beschimpfen. Auf meine Frage, worum es geht, sagte sie, ich hätte sie an der Haltestelle Körtestraße nicht mitgenommen. Da diese Haltestelle kurz zurücklag, konnte ich mich erinnern, dort gehalten zu haben und 2 Fahrgäste aufgenommen zu haben. Dieses habe ich der Person auch gesagt und erklärt, daß andere mitgekommen sind, warum sie nicht? Bei diesem Gespräch habe ich sie sehr wohl angesehen, wie sah sie sonst meine „eisige Miene“ und die „coole Sonnenbrille“? Es wird wohl so gewesen sein, daß sie wie die meisten Leser Ihres Schmierenblattes, zu denen ich allerdings nicht gehöre, ohne Fahrschein versucht hat, hinten hereinzuschleichen, und dabei fuhr der Autobus los. So wie der Artikel abgefaßt ist, kommt die Vermutung auf, es handelt sich bei Ihrer „Leserin“ möglicherweise um eine der unzähligen alternativen Dreckschleudern.

Meine Meinung:

Wenn jemand zu dämlich ist, selber zu fahren, andere Verkehrsmittel benutzt und selbst dort zu blöd ist einzusteigen, sich eher für die eigene Blödheit bei anderen beschwert, kann nur ein erbsengroßes Hirn haben. Wenn Sie jetzt meinen, ich gehöre auch zu den Menschen, die vor Schmierfinken auf die Knie fallen und einschleimende Entschuldigungen abgeben, ist dies ein großer Irrtum. Dieses könnten Sie auch Ihrer Märchentante mitteilen. Bodo Gondeck

BVG-Sprecher Klaus Wazlak bestätigte, man habe „mit dem Kollegen ein ernstes Wort geredet“. Da es „schon Vorkommnisse mit dem Fahrer gegeben“ habe, bestehe „Grund zur Annahme, daß an den Vorwürfen möglicherweise was dran ist“. taz

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