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Schwulenpolitik: Nur mit Rot-Grün ans andere Ufer

■ Ausschließlich die SPD und die Bündnisgrünen wollen Schwule als Wähler gewinnen / SPD-Schwusos seit kurzem revitalisiert / Bei AfB und CDU spielen Homosexuelle im Parteiprogramm schlichtweg keine Rolle

In das schwule Parteienleben in Bremen kommt pünktlich zum Wahlkampf Bewegung. Vor kurzem meldeten sich die „Schwusos“ der SPD nach vierjähriger Abstinenz mit einer neugegründeten „Projektgruppe“ zurück. Und auch bei den Grünen gibt es seit drei Monaten eine hochoffizielle „Landesarbeitsgemeinschaft Schwulenpolitik“, auch wenn die Gruppe schon länger arbeitet. In beiden Gruppen sind knapp ein Dutzend Parteigänger damit beschäftigt, Interessenpolitik in ihren Parteien zu machen.

Die zwei Hauptfiguren bei SPD und Grünen – Michael Engelmann und Jörg Hutter – meiden das Image des Vorzeigeschwulen allerdings wie der Teufel das Weihwasser. Engelmann zum Beispiel will nächstes Jahr für die Bürgerschaft kandidieren. Gewählt werden möchte der Schröderianer (“ich habe Sympathie für sein Machtbewußtsein“) aber nicht nur für sein Engagement in Gleichstellungs-fragen, sondern auch für seine Kompetenz in anderen Themenbereichen, vor allem der Wohnungspolitik. Das Thema liegt ihm als Mitarbeiter des Bremer Mietervereins naturgemäß am Herzen. Im letzten Jahr hat er sich beim Streit um den Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Bremische als Kritiker der Privatisierungspolitik parteiintern profiliert – SPD-Fraktionschef Christian Weber soll seitdem nicht gerade gut auf ihn zu sprechen sein. „Ich bin aber kein SPD-Linker“, positioniert er sich.

Mit seinem Schwulsein geht der 29jährige nicht hausieren, sein parteiinternes Coming-Out hatte er erst in diesem Frühjahr. Seit dem Eintritt in den eher konservativen Ortsverein Gröpelingen 1992 hat er es bis zum Fraktionssprecher der SPD im Stadtteilbeirat gebracht. Doch nach einem Werbeartikel für die neugegründeten Bremer Schwusos im SPD-Blatts „Vorwärts“ gingen jetzt irritierte Anrufe von älteren Ortsvereinsmitgliedern ein. „Wer Karriere machen will, wird sich schon überlegen, ob er sich bekennt“, sagt er.

Auch der Grüne Jörg Hutter will nicht als Quotenschwuler im Landesvorstand seiner Partei gelten, sondern als jemand, der sich für Minderheitenpolitik allgemein einsetzt. Doch Hutter hat aus seinem Schwulsein immerhin zeitweise einen Job gemacht: er arbeitet bei den gerade finanziell kleingestutzen „Schwullesbischen Studien“ an der Uni. Bei der Formulierung des schwulenpolitischen Teils des Bundesparteiprogramms hat Hutter als einer von zwei Sprechern der „Bundesarbeitsgemeinschaft Schwulenpolitik“ der Grünen mitgearbeitet. Wissenschaftlich kümmert sich der promovierte Wissenschaftler, der stilecht grünes Haupthaar in Irokesen-Manier vorzuweisen hat, um die Verfolgung von Schwulen in den letzten Jahrzehnten – auf dem Gebiet gibt es in seinen Augen noch jede Menge Forschungslücken. Deshalb will er die Idee einer zentralen Schwulen-Forschungs- und Dokumentationsstelle vorantreiben, damit historische Dokumente nicht verloren gehen.

Programmatisch gibt es bei Hutter und Engelmann mehr Überschneidungen als Unterschiede, keine Frage: Bei der Polizei wollen sie sich für Ansprechpartner für Schwule einsetzen, an der Uni sollen Angebote für Homosexuelle augebaut und erhalten werden. Auf die Arbeit des Rat&Tat Zentrums wollen beide auch in Zeiten knapper Kassen nicht verzichten und sich für den Erhalt der Arbeitsplätze im Zentrum einsetzen. Beide wollen die Lehrpläne in den Schulen so erweitern, daß auch Schwule vorkommen, „daß also auch mal ein schwules Paar in einer Dreisatz-Rechnung in Mathe als Beispiel vorkommen kann“, sagt Hutter.

Die Unterschiede liegen mehr im Detail und auf Bundesebene. Die Schwusos sind für Lesben und Schwule offen – mit dem Ergebnis, daß die Schwulen dominieren. Bei den Grünen sind Schwule und Lesben organisatorisch getrennt. Und während bei den Schwusos das Engagement für rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht umstriten ist, sind die Grünen nach sehr viel längerer Diskussion noch nicht auf einer gemeinsamen Linie: Der Grünen-Mainstream folgt zwar dem schwulen Bundestagsabge-ordneten Volker Beck, doch einige Stimmen aus der linken Schwulenszene warnen beharrlich davor, den Homosexuellen mit der Gleichstellung auch ein bürgerliches Kleinfamilien-Ideal überzustülpen. Der Hauptunterschied für Hutter: bei den Grünen gehörte Minderheitenpolitik schon zum Themenkanon der Gründungszeit, die SPD sei erst später aufgesprungen. „Die Programmatik stimmt bei den Grünen mit Personalpolitik überein“ meint Hutter, und er denkt dabei wohl vor allem an den Bundestagsabgeordneten Beck, der nebenbei auch noch Vorsitzender des Schwulenverbandes Deutschland (SVD) ist.

Während die Grünen und die SPD nach lokalen Unterschieden im schwulenpolitischen Programm noch ein wenig suchen müssen, ist die Abgrenzung zu den anderen Parteien leicht. Auch wenn es den einen oder anderen Bürgerschaftsabgeordneten gibt, der schwul ist – politisch sind Schwule weder für die Arbeit für Bremen (AfB) noch für die CDU ein Thema. „Wir behandeln Schwule wie jeden anderen Menschen auch“, so CDU-Pressesprecher Guido Niermann. Und auch die AfB-Pressesprecherin Anja Hillerts kann nur an den Urologen in der Fraktion verweisen, denn „der wird sich da am besten mit auskennen.“ cd

Um die Debatte über Schwulenpolitik anzuheizen, ist Volker Beck am 9. September in die Bremer Angestelltenkammer eingeladen. Mit dem Bremer SPD–Bundestagsabgeordneten Volker Kröning wird er sich über programmatische Unterschiede der zwei Parteien in dem Bereich unterhalten.

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