: Lettlands Rechte macht Stimmung gegen Minderheit
■ Die leichtere Einbürgerung von Kindern der russischen Minderheit könnte gekippt werden, sollte eine von der ultrarechten Regierungspartei initiierte Volksabstimmung Erfolg haben
Stockholm (taz) – Die Hoffnung der in Lettland lebenden russischen Minderheit, künftig leichter die lettische Staatsbürgerschaft zu erhalten, wird womöglich zunichte gemacht. Lettlands nationalistische Parteien, an ihrer Spitze „Vaterland und Freiheit“ von Ministerpräsident Guntars Krasts, haben wahrscheinlich ihr Ziel erreicht, ein entsprechendes Gesetz auszusetzen und in einer Volksabstimmung darüber entscheiden zu lassen. Ein Sprecher der staatlichen Wahlkommission erklärte, man werde nun alle Unterschriften zur Initiierung des Volksbegehrens auf ihre Richtigkeit prüfen und danach verkünden, ob die erforderlichen zehn Prozent wirklich erreicht wurden.
Sollte es zur Volksabstimmung parallel zu den Parlamentswahlen am 3. Oktober kommen, drohen die Wahlen im Schatten der Nationalitätenfrage zu stehen. Das könnte zu einem weiteren Rechtsrutsch führen. Auch wenn eine Mehrheit der Parlamentsabgeordneten Ende Juni für eine vorsichtige Liberalisierung der strengen Staatsbürgerschaftsregeln stimmte: eine Mehrheit der lettischen Bevölkerung repräsentierten sie damit nicht. Diese will laut Meinungsumfragen keine gleichen Rechte für die russische Minderheit, die ein Drittel der Bevölkerung zählt. Das Abstimmungsergebnis im Parlament kam vorwiegend auf Druck der Regierung und von Staatspräsident Guntis Ulmanis zustande, die auf eine geschlossene Front der USA, EU, OSZE und Rußlands reagierten. Washington, Bonn und Brüssel hatten gedroht, sonst die weitere West-Integration zu stoppen, Moskau hatte einen Handelsboykott signalisiert.
Auch wenn die zunächst verabschiedete Liberalisierung nur denjenigen Kindern russischstämmiger Eltern zu ihrem 16. Geburtstag die Staatsbürgerschaft einräumen wollte, die nach dem 21. August 1991 geboren wurden, nichts aber an der Sprach- und „Aufnahmeprüfung“ änderte: Den Ultrarechten ging dies viel zu weit. Nachdem seine Regierung das Gesetz erst durchs Parlament gebracht hatte, setzte Ministerpräsident Krasts einen Tag später eine Kampagne in Gang, um es über eine Volksabstimmung wieder zu kippen.
Noch bis vergangene Woche sah es so aus, als ob die Initiative scheitern würde. Doch die Regierungspartei „Vaterland und Freiheit“ setzte in einem gewaltigen Endspurt alle ihre Ressourcen ein und konnte nach eigener Darstellung das Quorum erreichen, vor allem unter Rückgriff auf LettInnen im Ausland. Doch in den Medien wurden Stimmen laut, ob hierbei alles mit rechten Dingen zuging. Auch wurde bezweifelt, mit welchem Recht Tausende von Stimmen von Exil-LettInnen nun möglicherweise den Ausschlag in einer Frage geben, die droht, Lettland zu isolieren. Die Nationalisten scheint dies nicht zu stören. Man lasse sich weder von Moskau noch von der EU in seine Innenpolitik hineinreden, erklärte der Sprecher von Ministerpräsident Krasts.
Staatspräsident Guntis Ulmanis verurteilte das Verhalten von Krasts und der nationalistischen Parteien als „von Mangel an Verantwortung getragen“. Statt des ersten Schrittes zur Versöhnung mit seiner Bevölkerungsminderheit drohen in Lettland neue ethnische Spannungen. Reinhard Wolff
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