Das Portrait: Mit Samtpfötchen am Katzentisch
■ Cornelia Schmalz-Jacobsen
Gespräche mit ihr können anregend sein, Interviews mit ihr sind eine Qual. Bei jeder Frage hört man bei der Frau das innere Flehen: Müssen Sie das fragen? Müssen Sie immer aufs Schlimme hauen? Dann windet sie eine Antwort heraus, die so verschachtelt ist, daß niemand sie hinterher darauf festlegen kann, aber jeder ahnt: Eigentlich hätte sie gern etwas ganz anderes gesagt. Cornelia Schmalz-Jacobsen ist eine Meisterin der Zurückgenommenheit bis hin zur Selbstverleugnung. Aber genau das verträgt das Amt der Bundes-Ausländerbeauftragen, das sie seit 1991 bekleidet, nicht. Wer ohnehin an den Katzentisch der Macht verbannt ist, ergattert durch brave Wohlanständigkeit die geringste Aufmerksamkeit.
Schmalz-Jacobsens Vorgängerin, die streitbare FDP- Dame Liselotte Funcke, hatte auf den Katzentisch gehauen. Mit deutlicher Kritik an der Bundesregierung war sie zurückgetreten. Schmalz- Jacobsen, zuvor Jugendsenatorin in Berlin und FDP-Generalsekretärin, scheidet eher mit Samtpfötchen aus dem Amt. Kein beneidenswertes Amt, zweifellos, mit geringen Kompetenzen ausgestattet und von den Kabinettsmitgliedern als überflüssiger Schmuck am Nachthemd mehr in Kauf als ernst genommen. Um so mehr hätte die überzeugte Liberale mit einigen politischen Projekten Flagge zeigen müssen.
Wenn Schmalz-Jacobsens zweifache Amtszeit jetzt zu Ende geht, bleibt eine schale Bilanz. Keine nachhaltigen Ideen, keine mutige Präsenz etwa bei den Pogromen von Rostock oder den Anschlägen von Solingen und Mölln, kein Votum gegen die Demontage des Asylrechts. Nur mit einem Vorhaben hat die 63jährige Neuland betreten und ist gescheitert: Ihr Vorstoß zur Reform des Staatsbürgerrechts hätte parteiübergreifend eine Mehrheit finden können und ist am mangelnden Mut der jungen Wilden in der CDU und der Koalitionsdisziplin der FDP erstickt. Erstickt auch an der Parteiräson der Ausländerbeauftragten, die sich als FDP-Abgeordnete nicht traute, für ihre Überzeugung zu stimmen.
Wenn Schmalz-Jacobsens Dienstzeit nun endet, ist nicht nur eine personelle, sondern dringend auch eine inhaltliche Neubestimmung dieses Amtes überfällig. Die Karten werden neu gemischt werden müssen, und Schmalz-Jacobsen hat in diesem Spiel nicht unbedingt einen Trumpf hinterlassen. Vera Gaserow
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