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Rollstühle zu Velos

■ Fahrradvorsätze vergrößern die Bewegungsfreiheit von Rollstuhlfahrern

Dank Wolfgang Schäuble im Sylt-Urlaub haben sie einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht: an den Rollstuhl schnallbare Fahrradvorsätze erfreuen sich wachsender Beliebtheit bei Körperbehinderten. Im Rahmen des Fahrradbooms kamen die Geräte zunächst aus den USA auf den deutschen Markt, hiesige Firmen wie Stricker und der Rollstuhlhersteller Meyra haben die Idee aufgegriffen. Der unangefochtene Tüftler ist jedoch die Speedy Reha-Technik aus Delbrück. Das „Speedy-Bike“ zeichnet sich unter anderem durch besonders leichte Handhabung aus: Der Benutzer fährt mit seinem normalen Rolli einfach in die Führungsschienen und betätigt den patentierten Lifthebel. Die kleinen, nicht lenkbaren Rollstuhlvorderräder werden angehoben und durch das große Vorderrad ersetzt. So wird nicht nur der Rollwiderstand um 80 Prozent gesenkt, auch der kräftezerrende Seitendrift des Rollstuhls ist dank normaler Lenkbarkeit kein Thema mehr. Angetrieben wird das Gefährt durch eine Handkurbel mit Sieben- Gang-Schaltung, die, ergänzt durch ein Planetengetriebe, einer 40-Gang-Kettenschaltung entspricht. Die dabei erreichte Übersetzung von beachtlichen 490 Prozent hilft, den entscheidenden Nachteil des Rollstuhl-Bikers auszugleichen: Mit den Armen hat man einfach weniger Kraft als mit den Beinen.

Leider werden die Geräte, Kostenpunkt ab 4.000 Mark , nicht von allen Krankenkassen widerstandslos bezahlt. Die Fahrradvorsätze sind nicht in ihrem Bedarfskatalog enthalten, eher wird ein viermal so teurer Elektrorollstuhl bezahlt als ein derartiges „Spaßgerät“. Dabei bleibt außen vor, daß die angeblichen Fun-Mobile durchaus alltagstauglich sind und den schönen Nebeneffekt haben, die allgemeine Fitneß des Benutzers zu verbessern. Notfalls müssen sich Interessierte ihr Bike vor dem Kadi erstreiten.

Ralf Ehseluns hatte Glück und bekam seinen Vorsatz bezahlt. Er empfindet sein Bike als große Erleichterung, weil sich seine Bewegungsfreiheit vergrößert hat. Jetzt kann er auch mal längere Strecken zurücklegen, ohne außer Atem zu kommen oder die Batterien nachladen zu müssen. Martin Reichert

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