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Symbol und Erbschaft

■ Aufschlußreich: der aktuelle „Mittelweg 36“ zum Thema Wehrmachtsausstellung

Alle zwei Monate erscheint der Mittelweg 36. Unspektakulär, schlicht aufgemacht, auf das Wesentliche reduziert: Programmatisch rückt das Inhaltsverzeichnis auf den Einband vor. Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung widmet sich der Rezeption der vom Institut kuratierten Wan-derausstellung Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941-44. Diese erregt seit 1995 national und international die Gemüter. Familienbande und kollektive emotionale Verschüttungen brechen auf, Ewiggestrige trauen sich ebenso an die Front wie Light-Nazis in Politik und Verwaltung. Das Erstaunliche daran: Die gezeigten Fakten sind altbekannt – zumindest der Wissenschaft. Nur öffentlich waren die krassen Zeugnisse, die die Legende von der anständigen Wehrmacht widerlegten, nie gesehen, geschweige denn diskutiert worden.

Im Thementeil der aktuellen Ausgabe untersucht Klaus Naumann, wieso sich das Bild des „sauberen“ Militärs so lange halten konnte. Seine aufschlußreiche These: Es ist der symbolische Preis für die reibungslose Integration der Kriegsveteranen in die Nachkriegsgesellschaft. Erkauft mit dem Festhalten an der moralischen Unschuld des Kriegstodes. Bernd Greiner beleuchtet, wie Massaker und Strafaktionen an Zivilisten mit dem Kampf gegen „Partisanen“ gerechtfertigt wurden. Erstaunen ruft des Autors mahnender Ruf nach der Rückkehr der Kategorie Moral in die Geschichte hervor. Will er uns glauben machen, daß ein nach internationalen Konventionen geführter Krieg moralisch legitimiert sei? Nur bezogen auf das Verhalten des einzelnen Soldaten hat dies Sinn.

Im dritten Hauptbeitrag nimmt Christian Schneider eine psychologische Perspektive ein. Das Verleugnen der Schuld bei der Tätergeneration zeitigt eine belastende Erbschaft für die Nachkommen. Und die ist politisch: Wie sich die Nachgeborenen zu der Schuld ihrer Eltern und Großeltern verhalten, hat aktuelle Folgen, z.B. in der Frage nach deutschen Beiträgen zur Schlichtung internationaler kriegerischer Konflikte. Erst wenn der Nexus von Politik und Moral, Intimität und Geschichte kenntlich ist, löst sich die Frage nach der historischen Schuld aus dem Metaphysischen und konkretisiert sich als reale, so Schneiders Ergebnis.

Ergänzt durch viele Buchbesprechungen und zwei Beiträge zu Eva und Victor Klemperer ist das Bändchen spannend und voller anregender Thesen. Das zurückhaltende Erscheinungsbild kontrastiert und unterstützt zugleich das im besten Sinne anspruchsvolle Heft.

Thomas Schulze

„Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung“, 8/9 1998, 94 Seiten, 18 Mark

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