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Weiter Streit um Brokhuchting

■ CDU-Staatsräte stimmten Kompromiß zwischen Bau- und Umweltsressort nicht zu / Senatsentscheid heute bleibt fraglich

Eigentlich war alles klar. Die Umweltsenatorin hatte ihre Bedenken zurückgestellt, heute sollte im Senat einerseits über das Naturschutzgebiet Brokhuchting beschlossen werden, andererseits über ein Baugebiet für 400 Einfamilienhäuser direkt daneben. Nach der Staatsräte-Konferenz gestern vormittag ist aber alles wieder offen. Nicht der zuständige Bausenator hatte Probleme, sondern der Staatsrat für Personalwesen, der CDU-Politiker Johannes Beermann. Damit droht die Fachpolitik des Bausenators zum zweiten Male in dieser Frage aufgrund „höherer“ Parteiinteressen ausgehebelt zu werden. Eigentlich waren Bausenator und Umweltsenatorin nämlich am 30. Oktober 1996 zu dem klaren Ergebnis gekommen, daß es keinen Sinn mache, die Feuchtwiesen vor dem Naturschutzgebiet Brokhuchting als Baugebiet zu entwickeln.

„Rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten“, so resümiert der Bausenator heute im Rathaus aus der auf der Tagesordnung stehenden Senatsvorlage, habe es gegeben. Rechtliche nämlich, weil ein Teil des Gebietes bei der EU als Vogelschutzgebiet angemeldet ist. „Tatsächliche“ Schwierigkeiten, weil der Schutz der benachbarten Ausgleichsflächen, die Naturschutzgebiet werden sollen, erheblichen Aufwand erfordern würde und weil die Entwässerung und der Hochwasserschutz dieses Gebietes ohnehin eine hohe finanzielle Belastung darstellen würden. An jenem 30. Oktober 1996 hatte der Bausenator der Umweltsenatorin erklärt, daß das Baugebiet Brokhuchting unrealistisch sei, Tine Wischer war ihrem Kollegen schließlich entgegengekommen und hatte Zustimmung signalisiert, wenn das bis dahin für die Bau-Interessen unantastbare Gebiet der Osterholzer Feldmark bebaut werden soll – „als Kompensation für Brokhuchting“, wie der Bausenator in seinem Bericht an den Senat formuliert. „Kompensation“ scheint aber ein interpretierbares Wort zu sein, auf Druck der CDU mußte Bernt Schulte klarstellen, daß Kompensation für ihn bedeutet: Die Osterholzer Feldmark wird bebaut und Brokhuchting auch. Über Wochen hat in diesem Sommer die Umweltsenatorin darauf insistiert, daß nach gemeinsamer Erkenntnis das Bauen in Brokhuchting zu teuer wäre. Als aber die CDU im Gegenzug die Ausweisung der Ausgleichsflächen zum Naturschutzgebiet verweigerte, mußte sie klein beigeben. Das Naturschutzgebiet, das auch bei der EU als Vogelschutzgebiet gemeldet ist, soll nun mit einem 20 Meter breiten und einen Meter tiefen Wassergraben gegen unerwünschten Besuch geschützt werden, die Verbindungen und Wege sollen so umgebaut werden, daß auch Katzen es schwer haben, den Weg zu den seltenen Vögeln zu finden. „Naturschutz-Wächter“ sollen auf die Einhaltung des friedlichen Nebeneinanders mit den Menschen achten. Und alles soll der Bauträger zahlen. Dazu kommen noch insgesamt 4.500 Mark pro Wohneinheit für Schulen, Kitas und Spielplätze. Reinhard Hoffmann, der Chef der Senatskanzlei, hatte in einer internen Runde prognostiziert, daß das Bauprojekt an den Preisen scheitert. (vgl. taz vom 2.9.) In der Senatssitzung wird es heute darum gehen, ob die CDU eine weitere Kostensenkung für den Bauträger und zu Lasten der öffentlichen Haushalte durchsetzen kann.

K.W.

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