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Heiße Öfen als Dreckschleudern

Morgen beginnt in München die Motorradmesse Intermot. Ein Bericht des Umweltministeriums entlarvt die Bikes als lauter, durstiger und dreckiger als angenommen  ■ Von Bernhard Pötter

Berlin (taz) – 1998 war kein gutes Jahr für Motorradfans. Erst verdarb der schlechte Sommer den Bikern die Freude am Fahren. Nun stehen die Zweiräder auch noch als Dreckschleudern am Pranger: Motorräder verbrauchen in Relation zum Auto weit mehr Benzin, blasen wesentlich mehr Schadstoffe in die Luft und belästigen die Umwelt mit enormen Lärmwerten. Das ist das Ergebnis des bisher nicht veröffentlichten Berichts „Motorrad und Umwelt“ der gleichnamigen Projektgruppe im Bundesumweltministerium. Die Kritik ist so stark, daß die Motorradindustrie und die Bikerlobby unter Protest aus der Arbeitsgruppe ausstiegen.

Bisher widmeten sich Umwelt- und Verkehrspolitiker vor allem den Autos und Lkws. Doch inzwischen sind 4,4 Millionen Mopeds, Roller und Straßenmaschinen in Deutschland gemeldet, der Bestand ist in den letzten fünf Jahren um 60 Prozent gewachsen. „Das Motorrad gilt aufgrund seiner Nutzungsgewohnheiten nach wie vor als besonders störendes Verkehrsmittel“, konstatiert der Bericht. Bei nur zwei Prozent der Fahrleistung im Verkehr stoßen die Motorräder zehn Prozent der Kohlenwasserstoffe aus, die zum Ozonsmog führen. An warmen, sonnigen Tagen, an denen die Biker ausschwärmen, kann in Zukunft dieser Anteil auf bis zu 40 Prozent steigen – auch, weil sich der Ausstoß durch die Pkws drastisch reduziert. Denn die Technik zur Schadstoffreduzierung ist bei den Zweirädern weit hinter den Entwicklungen beim Pkw zurück, belegt der Bericht. Die erstmals für 1999 geplanten EU-weiten Abgaswerte seien „aus Umweltsicht völlig unzureichend“, weil sie um das 30- bis 100fache über den Anforderungen an die Pkws liegt.

„Hauptproblem des Motorrads ist der Lärm“, heißt es in der Studie. Der Grenzwert beim Krach liegt für die Zweiräder so hoch wie beim Lkw, wird aber in der Praxis teils deutlich überschritten. Einzelne Gebiete haben bereits Fahrverbote für Motorräder verhängt. Auch beim Verbrauch hinken die Räder hinter den Pkws zurück: Der Bericht fragt, ob es „gerechtfertigt“ sei, daß ein Motorrad 4 bis 8 Liter Benzin auf 100 Kilometer verbraucht, obwohl es nur halb so schwer wie ein Auto ist.

„Die Folgerung aus dem Bericht ist die Einführung des geregelten Katalysators auch für schwere Motorräder, wie es etwa BMW macht“, sagt Gerd Lottsiepen, der für den Verkehrsclub Deutschland (VCD) in der Projektgruppe sitzt. Außerdem müsse es verbindliche Grenzwerte für den Lärm geben. Weil das Fahrverhalten einen großen Einfluß auf Lärm, Verbrauch und Abgasemission hat, müsse bei der Ausbildung der Biker mehr getan werden. „Die Fahrschulunterlagen befinden sich noch in der umweltpolitischen Steinzeit“, moniert das Papier. Grenzwerte für Lärm und Schadstoffe müßten auf EU- Ebene eingeführt werden, sagt der Leiter der Projektgruppe, Gert Kemper. „Aber eine Abgasuntersuchung, die die Motorräder bisher nicht brauchen, könnte auch national eingeführt werden.“

Neben seiner Bedeutung als „Freizeitfahrzeug“ diskutiert der Bericht das Mottorrad auch als „mögliche Alternative zum Pkw, zumindest im Kurzstreckenbereich“. Weil das Motorrad als Transportmittel wichtiger wird, müsse der Standard für Lärm, Verbrauch und Schadstoffe, der für Autos gilt, auch zum Mindeststandard bei den Bikes werden, fordert die Projektgruppe.

Das ging der Motorradlobby entschieden zuweit. Vor der letzten Sitzung im Mai verließ sie das Gremium, weil die Diskussion am runden Tisch auf die Einrichtung von Grenzwerten und damit auf die Einschränkung der freien Fahrt hinauslief. „Das war in der Tat von Anfang an unsere Absicht“, so Projektleiter Kemper.

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