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■ WeinprobeNicht jeden Tag nach Mendocino

„Mendocino, Mendocino, ich fahre jeden Tag nach Mendocino“, gestand der Schlagersänger Michael Holm, lang ist's her, in den siebziger Jahren. Wieder und wieder fuhr Michael nach Mendocino – wegen des Mädchens („Ich sah ihre Lippen, ich sah ihre Augen“) mit den goldenen Spangen im Haar, das an der Straße gestanden und gefleht hatte: „Bitte, nimm mich mit nach Mendocino!“ Um den Michael war's prompt geschehen, doch ach! sein Mädchen ward fortan nie mehr gesehen – „keiner kennt mein Girl aus Mendocino“.

Wir wissen nicht, ob Michael noch immer täglich die Mendocino-Rallye macht, können ihm jedoch einen Rat geben. Statt dauernd wieder nach Mendocino, dem Edel-Hippiestädtchen an der Küste Nordkaliforniens zu gurken, könnte er mal die Straße rechts ab über die Berge ins Hinterland von Mendocino County nehmen, Richtung Hopland. Auch dort wird er die Angebetete wohl nicht finden, statt dessen jedoch eine Winery mit dem Namen Fetzer, die ein Getränk produziert, das bisweilen Sorgenbrecher genannt wird. Und hier beginnt der sachliche Teil.

Wir befinden uns in den USA, wo bekanntlich alles etwas größer ist, so auch dieses Weingut, das man besser Weinkonzern nennen sollte – Eigentümer ist der Getränkemulti Brown-Forman, zu dessen Imperium Weingüter, Schnapsdestillen und Mineralquellen in aller Welt gehören. Das Fetzersche Anwesen beläuft sich auf schlappe 650 Hektar Weinberge; man erzeugt jährlich 2,2 Millionen Kisten, mithin mehr als 25 Millionen Flaschen Wein. Damit ist Fetzer sechstgrößter Weinerzeuger der USA. Der gesamte Besitz befindet sich in der Umstellung auf ökologischen Weinbau, die im Jahr 2000 abgeschlossen sein soll; wenn es denn soweit ist, besitzt Fetzer mehr organische Anbaufläche als alle übrigen US-Ökoweingüter zusammen. Der Öko-Anbau ist auch hier nicht Marotte irgendeines schrulligen Winzers, sondern Teil der Firmenphilosophie, die voll und ganz auf Nachhaltigkeit setzt. Alle Pflanzenabfälle aus der Weinproduktion werden kompostiert, alle sonstigen Abfälle wiederverwertet; vom Brief- bis zum Toilettenpapier benutzt man ausschließlich Recyclingqualität; das neue Verwaltungsgebäude ist aus Lehm, die Türen sind aus Recylingmaterial. All diese Maßnahmen verschaffen dem Unternehmen ein progressives Image, lassen es zugleich viel Geld sparen und, so darf man annehmen, desto besser welches verdienen.

Bei allen ökologischen Anstrengungen produzieren die Fetzer Vineyards nicht irgendwelche beliebigen Massenweine, sondern gelten als bester Erzeuger der Region. Wie viele Weine Kaliforniens streben auch die Fetzerschen Kreszenzen danach, um ihre französischen Vorbilder an Feinheit und Eleganz zu übertreffen. Das Ergebnis: Der 1995er Fum Blanc (so nennt man in Kalifornien den im kleinen Holzfaß ausgebauten Sauvignon) „Echo Ridge“ strahlt soviel Noblesse aus, daß ich ihn der Donna-Karan-Boutique in den Friedrichstadtpassagen als Begrüßungsdrink empfehlen möchte – oder auch als Begleitung zu hochfein gebratenem Süßwasserfisch (18,50 Mark). Auch der 1997er Chardonnay „Sundial“ versucht unsere Sinne nicht mit opulenter Fruchtfülle zu überrumpeln, sondern lädt unaufdringlich dazu ein, zarten Blütenduft und ganz ganz sanfte Holznoten zu erspüren (22 Mark). Deutlicher sind die beim sanften 1996er Merlot „Eagle Peak“ zu erschmecken, bei dessen Duft man versucht ist, bienengleich den Rüssel in den Nektar einzutauchen (23,40 Mark). Die schon jetzt mit Öko-Zertifikat versehenen Gewächse werden unter dem Markennamen „Bonterra“ offeriert.

Ich mein' ja nur, vielleicht als Variante für den Michael, statt ständig frustriert nach Mendocino zu kutschieren...

... ist wegen dieser Weine ein Weg zur Wein Compagny, Priesterweg 1 in 14532 Güterfelde notwendig. Mit der Öko-Kutsche ist man aber schnell da – Autobahnausfahrt Potsdam-Babelsberg, dann Richtung Teltow/Güterfelde. Tel.: (03329) 612588. Spezialität: montags 17–21 Uhr Weinstammtisch im freundlichen Verkostungsraum oder draußen vor der Tür. Eberhard Schäfer

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