: Nix im Sinn mit Papa-Populismus
■ Die Berliner Kunstzeitung „Starship“ schlägt in ihrer ersten Nummer einen eleganten Bogen zwischen Subkultur, Pop und Politik
Starship liegt gut in der Hand. Irgendwie knitterig. Das Heft im DIN-A5-Format hat 118 zeitungspapierdicke Seiten, das Cover ist dezent in Copy-Art-Ästhetik gehalten, mit einer Hommage an den Pop-Artisten Richard Hamilton als Deckblatt. Auf der Rückseite gibt es eine rosa Autorenliste mit 42 Eintragungen. Offenbar haben derzeit viele Leute etwas zu sagen über den Kunstbetrieb.
Anders als in meist eher kurzlebigen Kunstfanzines geht es bei der ersten Nummer von Starship sehr professionell zu. Statt expressiver Befreiungslyrik von malenden Männern, die auch dichten können, gibt es coole Statements vielerlei Geschlechts zu Marktgeschehen und Hauptstadtkultur. Sabeth Buchmann etwa nimmt die „Beute“ nach ihrem Relaunch als Papa-Populismus auseinander, Hans-Christian Dany blickt mit Peter Gente und Heidi Paris auf 25 Jahre Merve-Verlag zurück. Zwischendrin schlendert der Maler und Autor Gunter Reski durch etliche Galerien und macht sich ebenso gelassen wie humorvoll Gedanken über den Trend zum privatmythologischen Ohnesorg- Theater etwa bei Jonathan Meese oder die „bourgeois-koketten RAF-Terrorismushuscher“ von Gerhard Richter.
Selbst ein namentlich Verantwortlicher im Sinne des Presserechts wurde gefunden, die Redaktion besteht aus drei Männern und einer Frau, „es gilt die Anzeigenpreisliste 2 vom Juli 1998“. Vor allem Junggalerien und KünstlerInneninitiativen haben daraufhin ihr aktuelles Programm geschaltet, aber auch für die neue EP von koalition gegen wird Werbung gemacht. Man sieht: Selbstorganisation und Marktwirtschaft schließen sich gar nicht aus.
Tatsächlich schafft es Starship, den Bogen zwischen Sub-, Pop- und Politfraktionen zu schlagen, ohne versöhnlerisch aufzutreten. Das liegt vor allem an den diversen AutorInnen, deren Texte selbst wiederum sehr pluralistisch gehalten sind. Ulrich Heinke fügt in seiner Einstiegsreportage über Bürodesign in Kalifornien die Erzähltechniken von Kafka und Hunter S. Thompson mit soziologischen Einsprengseln so zueinander, daß man zwischen Ironie und Analyse kaum mehr trennen kann. Antje Majewski arbeitet in ihrem kunstgeschichtlichen Essay „einige Realistinnen“ der siebziger Jahre auf, und diskutiert dabei nebenbei, wie schon früh Gender- und Sexdebatten zur Polarisierung innerhalb der Feminismusszene führten. Und zum Schluß wird man in einem Groschenkrimi von Dany Mueller eben mal in seltsame Kunsttechniken wie konzeptuelles Tagebuchschreiben oder Unscharffotografie eingeweiht.
Bei aller Spielerei mit Magazin- Genres und Fanzine-Attitüden ist das Heft vom Konzept her kulturkritisch angelegt. Die Frage nach Berlin als neuer nationaler Repräsentationsstätte geistert praktisch durch die Hälfte der Beiträge. Ariane Müller spricht ganz explizit aus, weshalb die Diskussion im linken Kunstspektrum eine so entscheidende Rolle spielt: „Der Shift von Ökonomie (Köln) zu Stadt (Berlin) spiegelt auch die Realität der beiden Städte. Kulturpolitik in Berlin ist Teil oder Kommentar der Repräsentationspflicht der Stadt. Kaum jemand, der in Berlin den offiziellen Kunstbetrieb ausmacht, versucht sich diesem Auftrag zu entziehen, und niemand stellt ihn gar öffentlich in Frage.“
Auch Starship kommt mit seinem „ablehnenden Dabeisein“ nicht um die Haken und Ösen der Dialektik herum. Wenn Müller beklagt, daß man die Stadt stets nur „von außen“ wahrnehmen und diskutieren kann, weil die Strukturen und politischen „Zusammenhänge“ in Zürich, München, Wien besser sind als hier, bleibt unklar, ob sie nun nach einer erweiterten Berlin-Allianz sucht oder nicht. Zugleich spricht sie in einem zweiten, charmant „Kinder * Kommunismus“ betitelten Text, darüber, wie wenig sich Alternativen von der Logik des Imaginären lösen können: „Man weiß nicht, ob es anders anders gewesen wäre. Also nicht nur, daß man nicht weiß, wie es anders gewesen wäre, man weiß noch nicht einmal, ob es anders gewesen wäre.“ Das Imaginierte ist in diesem Fall übrigens die am Montag anlaufende berlin biennale. Harald Fricke
„Starship“ Nr.1 kostet 5 Mark und ist erhältlich im Bücherbogen und Hamburger Bahnhof; Internet: www.star-ship.org
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