: Eine Madame für Europa
Brigitte Sauzay soll den Bundeskanzler Gerhard Schröder in Sachen Frankreich beraten. Als Dolmetscherin arbeitete sie bereits mit Brandt und Pompidou. Schröder kann sie nicht schrecken. Sie hält ihn für einen Glücksfall ■ Von Constanze v. Bullion
Französisches Glück, das ist raffinierter Käse mit einer spritzigen Unterhaltung. Deutsches Glück, das ist Kerzenschein und ein tiefsinniges Gespräch. Haarscharf am Kitsch schrammen die Bilder vorbei, die Brigitte Sauzay bemüht, wenn sie über „die Nation“ oder „unsere europäische Identität“ spricht.
An Madame wirkt alles großzügig. Die Schritte, mit denen sie von Termin zu Termin hastet. Das kokette Lachen, mit dem sie die gewonnene Wahl kommentiert. Ein Gesicht, das fast ohne Schminke auskommt, hält sie dann gelassen in das Blitzlichtgewitter. Brigitte Sauzay wird Gerhard Schröder in Sachen Frankreich beraten.
Noch eine Frühstücksdirektorin also? Noch jemand, der in Schröders Schattenkabinett kaum mehr hinterlassen wird als eine Duftmarke? Weltmännischen Schliff soll Sauzay dem Niedersachsen beibringen. Soll den anglophilen Wirtschaftsmann für die feine französische Art gewinnen und zwischen Deutschland und Frankreich vermitteln. Sauzay gilt als eine der versiertesten Kennerinnen deutsch-französischer Beziehungen, doch das wußten bislang eher die Eingeweihten.
Dabei kennt jeder Brigitte Sauzay. Jeder, der in den letzten 28 Jahren den Fernseher angeschaltet und das immer gleiche Standbild der deutsch-französischen Freundschaft betrachtet hat: Georges Pompidou empfängt Willy Brandt, Valéry Giscard d'Estaing begrüßt Helmut Schmidt, François Mitterrand hält Händchen mit Helmut Kohl. Stets wartete eine blonde Frau mit konzentrierter Miene, die überbrückte, was die einstigen Erbfeinde trennte.
Als Dolmetscherin habe sie vor allem zu schweigen gelernt, erzählt Sauzay, die bedächtig spricht für eine, die blitzschnell aufnehmen, sortieren und wiedergeben kann. 20 Jahre lang übersetzte sie für Mitterrand, war hautnah dran an der Baustelle Europa und hat für sich behalten, was sie von Staatsgeheimissen und privaten Sünden erfuhr. Statt anderen ihre Stimme zu leihen, will Brigitte Sauzay jetzt für sich selbst sprechen.
An Ehrgeiz hat es der Tochter aus einer Offiziersfamilie ohnehin nie gemangelt. Katholisch, gebildet und „ausgeprägt gaullistisch“ sei ihre Familie, sagt Brigitte Sauzay, die mit 14 Jahren auf eine englische Schule geschickt wurden. Als große, etwas hagestolze Abiturientin kehrte sie nach Paris zurück, fand „alles sehr eng“ und studierte Germanistik in Freiburg. Sie habe sich „verliebt in Deutschland, das für mich ein Schatztruhe von Geschichte, Geheimnissen und viel Leid war“. Das Leid vertriebener Schlesier klagten ihr die Kommilitonen dann, von Adligen scheint es in ihrer Szene gewimmelt zu haben. „Mit Interesse zugesehen“ hat sie so den wilden 68ern, der SPD aber konnte sie sich „damals nicht zuordnen“.
Daß Brigitte Sauzay 1970, mit 23 Jahren also, zwischen dem französischen Präsidenten Pompidou und Willy Brandt saß und dolmetschte, mögen Neider dem richtigen Stallgeruch zugeschrieben haben. Gekümmert hat sie das wenig. Sie machte Karriere, heiratete einen Mann aus ersten Kreisen und bekam drei Kinder, das letzte mit 42 Jahren.
Die alten Herren haben sie gemocht. 1993 gründete sie mit dem Historiker Rudolf von Thadden das Berlin-Brandenburgische Institut für deutsch-französische Zusammenarbeit in Genshagen, ein Schloß südlich von Berlin. Hierher lädt sie Gäste aus Politik und Kultur und entwickelt europäische Visionen vor den offenen Kamin. Ein Europa selbstbewußter Nationen soll es sein – und keines schierer Harmonie. Sauzay gehört zu einer Fraktion unter den französischen Deutschlandfreunden, die sich bei den immergleichen Versöhnungsreden langweilen. Auch gegenseitige Ängste will Sauzay thematisieren, weniger über den Euro reden und mehr über europäische Bürgeridentitäten: „Die Konflikte der Zukunft liegen auf gesellschaftlicher Ebene.“
Auch um Ausländerpolitik geht es in Genshagen. „Die Menschen brauchen Dörfer, und sie brauchen eine Nation“, sagt Brigitte Sauzay, „aber eine Nation ist keine Blutsgemeinschaft.“ Daß nur deutsch sein darf, wer deutsche Ahnen hat, erscheint ihr „vormodern“. Ohne doppelte Staatsbürgerschaft drohe „Ghettobildung“ und Radikalisierung, die „alte Mißbildung“ der Deutschen.
Sauzays Europa aber ist nicht für alles offen. Gefahr dräue dem Kontinent durch „Islamisierung“, durch „amerikanische Fernsehprediger“, die sie kürzlich auf einem Kabelsender entdeckt hat. Oder durch die Kung-Fu-Helden, die sich in den Videos ihres Sohnes durch eine Welt der Rache kämpfen. Asiatische Kultur sei das, „die nicht hierhergehört, weil alles verneint wird, was in der christlichen Religion an Werten existiert“.
Kein Multikulti also, Brigitte Sauzay ist eine strenge Missionarin abendländischer Tradition. Und eine, die sich aus der Parteipolitik am liebsten heraushält. Bei Helmut Kohl hat sie sich vor Jahren beworben, der wollte sie nicht. Schröder, den findet sie précieux, einen Glücksfall. Daß sich ehrgeizige Frauen selten lange an der Seite des Machtmenschen aus Hannover gehalten haben, läßt Brigitte Sauzay ungerührt. Wer es 20 Jahre an der Seite von François Mitterrand ausgehalten habe, den kann ein Schröder nicht schrecken.
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