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Eldra GmbH wollte nicht nach Bremen

■ Wirtschaftsförderer konnten den Mercedes-Zulieferer Eldra nicht für die Hemelinger Marsch gewinnen / Hattig: „nachvollziehbare“ Unternehmer-Entscheidung / SPD-Fraktionschef Weber: Bankrotterklärung Hattigs

Die Flächenvergabe im lange Jahre umstrittenen neuen Gewerbegebiet Hemelinger Marsch verläuft äußerst stockend. Insbesondere Neuansiedlungen von Betrieben, die nicht nur in Bremen umsiedeln und rationalisieren, sondern wirklich zusätzliche Arbeitsplätze in nennenswertem Umfang versprechen, gibt es bisher nicht.

Und nun kommt der Auto-Zulieferer Eldra Kunststoftechnik, der zu der weltweit erfolgreich operierenden Draxlmaier-Gruppe gehört, sucht ein grundstück für seine Daimler-Zulieferung und geht nicht in die Hemelinger Marsch, sondern ins Gewerbegebiet Achim-Uesen. Das ist der Fall, der die Gemüter bewegt.

Die Achimer Kommunalpolitiker freuten sich öffentlich über den „dicken Fisch“ und denken schon daran, ihr Gewerbegebiet in Uesen zu erweitern. Vor wenigen Wochen hatte Wirtschaftssenator Josef Hattig in einer Versammlung Achim mit starken Sprüchen, Bremen werde mit allen Mitteln dem niedersächsischen Umland Konkurrenz machen, für schlechte Stimmung gesorgt.

„Ich wundere mich, daß Wirtschaftsressort und Wirtschaftsförderer aus der Abwanderung des Spezialfahrzeugbauers Trasco ins niedersächsische Umland nichts gelernt haben“, erklärte SPD-Fraktionschef Christian Weber, nachdem er vom Fall Eldra in der Zeitung gelesen hatte. Den Trasco-Leuten hatte Bremen eine Fläche hinter dem Klöckner-Gelände wie Sauerbier und fast umsonst angeboten. Die Hemelinger Marsch sei geradezu ideal für Mercedes-Zulieferer, findet nicht nur Weber. In einem Gespräch mit der Mercedes-Werksleitung sei jüngst deutlich geworden, daß Mercedes der Hansestadt bei der Ansiedlung von Zulieferern „jede nur mögliche Unterstützung“ leisten wolle, erklärte er. Er habe „deutliche Hinweise, daß die WfG sich keinesfalls intensiv um die Akquisition möglicher Zulieferer des Bremer Automobilwerks kümmert“, schreibt Christian Weber. Immerhin handelt es sich bei Draxlmaier um eine Gruppe mit 15.000 Arbeitsplätzen, die neben Mercedes auch VW, BMW und andere beliefert.

Und dafür Facharbeiter braucht. Wegen der hohen Ansprüche der Bremer Mercedesbauer an die Innenausstattungen sollen daher die Holz- und Lederelemente zunächst noch im bayerischen Vilsbiburg produziert werden. Eldra will in Achim als erste Stufe 22 Millionen Mark investieren und 150 Arbeitsplätze schaffen, Vorratsflächen für Erweiterungen sind mitgekauft.

Wirtschaftssenator Josef Hattig reagierte auf die ungewohnte SPD-Schelte mit der Feststellung, daß sozialdemokratische Verkehrspolitik mit ihren Nachtfahr-Verboten, Ampeln und Tempo-30-Zonen den ansiedlungswilligen Betrieb abgeschreckt habe. Die Entscheidung der Eldra für Achim sei „aus rein sachlichen und unternehmerisch nachvollziehbaren Gründen“ gefallen.

Das wiederum versteht Weber nicht. 30-Kilometer-Zonen? „Die gibt es da nur in reinen Wohngebieten, da fahren die Zulieferer sowieso nicht durch“, konterte Weber verärgert und sieht darin eine Ausrede des Wirtschaftssenators. Wenn die Ansiedlung am Nachtfahrverbot oder an bestimmten Ampeln gescheitert sein sollte – warum habe der Wirtschaftssenator das Thema nie in der Koalition angesprochen? Das sei doch dessen Aufgabe. Wenn es „ernste Hindernisse“ gegeben habe, warum habe der Wirtschaftssenator das nicht thematisiert und sich nicht bemüht, sie zu beseitigen? Die Antwort von Hattig sei „eine Bankrotterklärung der Wirtschaftssenators“, findet Sozialdemokrat Weber zu ungewohnt selbstbewußten Tönen gegenüber dem CDU-Wirtschaftsressort.

Der Chef der Bremer Wirtschaftsförder (WFG), Harald Matys, hat sich natürlich „fürchterlich geärgert“ über die Eldra-Entscheidung gegen die Hemelinger Marsch. Er persönlich sei die Strecken mit dem Logistik-Chef von Eldra, Siegfried Römelsberger, zu verschiedenen Tageszeiten abgefahren, alle Probleme seien offen angesprochen worden. Natürlich gebe es das Nachtfahrverbot für den Brüggeweg, aber tags sei der Weg auf jeden Fall schneller, und wenn die Zulieferer nachts vielleicht drei Touren hätten und damit übers Bremer Kreuz führen, dauere das auch nicht länger als der Weg aus Achim. Also kein Nachteil. Und zwei oder drei Jahre nach der geplanten Fertigstellung des Eldra-Werkes sei der Hemelinger Tunnel da, langfristig spreche also alles für die Hemelinger Marsch.

Warum entschied sich die Eldra dennoch für Achim, während die Bremer sich noch mitten in Verhandlungen glaubten? „Das verstehe ich auch nicht“, sagt Matys. Lag es daran, daß Jürgen Schönberger, der Berater von Eldra, in Achim seinen Wohnsitz hat? Matys glaubt, daß eher psychologische Faktoren den Ausschlag gegen Bremen gegeben haben. Als der Eldra-Logistik-Chef das Schild „Nachtfahrverbot“ gesehen habe, habe er spontan von „Totschlägern“ gesprochen. In den Verhandlungen sei das aber nie Thema gewesen.

K.W.

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