■ Der Westen droht dem Milošević-Regime mit einem Militärschlag: Militärischer Druck und Verhandlungen
Es überrascht nicht, daß jetzt von vielen Seiten vor Bombenangriffen gegen Serbien gewarnt wird. Dabei vermischen sich völkerrechtliche Argumente mit der grundsätzlichen Angst vor einer Eskalation. Verzweifelt versuchen auch oppositionelle Serben eine Militäraktion vom Lande abzuwenden.
Das ist verständlich. Doch das Argument, eine Militäraktion würde die serbische Bevölkerung dazu zwingen, sich noch enger um Milošević zu scharen, ist fragwürdig. Weder in Serbien noch im Ausland gibt es serbische Proteste gegen die Politik der verbrannten Erde im Kosovo. Auch das Argument, die humanitäre Situation für die Flüchtlinge würde sich verschärfen, ist falsch. Die Arbeit humanitärer Organisationen im Kosovo wurde bisher vom Regime systematisch behindert.
Und die Warnung vor der „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ war schon immer ein fragwürdiges Argument: Angesichts der Katastrophe, die im Kosovo droht, muß die Verteidigung der Menschenrechte als ein höherer Wert betrachtet werden. Eine Intervention wäre unter diesem Gesichtspunkt sogar ein zivilisatorischer Fortschritt, denn sie würde erstmals zum Schutze einer bedrängten Bevölkerung unternommen.
Tatsache ist, daß die bisherigen Vermittlungsbemühungen, die ohne militärische Drohgebärden vor sich gingen, gescheitert sind. Mit dem erneuten Auftauchen von Richard Holbrooke hat die US-Administration unterstrichen, daß sie in der Kosovo-Frage ab jetzt ernsthaft „militärischen Druck und diplomatische Aktivitäten“ verbinden wird.
Holbrooke war es bereits am Ende des Krieges in Bosnien gelungen, das Milošević-Regime schließlich zum Einlenken zu bringen. Es lohnt sich, sich an die damaligen Erfahrungen zu erinnern. Nach einem serbischen Granatenangriff auf den Marktplatz von Sarajevo im Februar 1994 drohte die Nato entgegen dem Wunsch der UNO mit Luftangriffen auf serbische Stellungen rund um die Stadt. Gleichzeitig blieb die Tür für Gespräche offen. Das Resultat: Die serbischen Truppen zogen ihre Artillerie zurück.
Im Sommer 1995, nach dem Massaker von Srebrenica, bombardierte die Nato serbische Militärstellungen in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina. Das Abkommen von Dayton und die Beendigung des Krieges in Bosnien-Herzegowina wären ohne die feste Haltung der Nato nicht zustande gekommen. Die meisten Menschen im Kosovo hoffen jetzt genau darauf. Erich Rathfelder
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