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■ GhettoblasterDie Deutsche Bahn spricht deutsch

Neulich bin ich in Prag in einen ICC mit dem Namen Csardás eingestiegen. Wie leicht am Namen zu erkennen ist, kam der Zug aus Budapest. Mein Ziel war Berlin. Er kam nicht mit Verspätung, wie ich mit meinen unbewußten Vorurteilen den Ungarn gegenüber vermutet hatte, sondern eine Minute früher. Das muß an dem Namen Csardás gelegen haben, der Bezeichnung für einen temperamentvollen ungarischen Volkstanz.

Sobald der Zug Prag verlassen hatte, meldete sich über Lautsprecheranlage eine Stimme, begrüßte die neu zugestiegenen Fahrgäste und sagte die Ankunft im nächsten Bahnhof an. Zuerst auf tschechisch, dann auf deutsch. Die Ansage des tschechischen Zugleiters war nicht ganz fehlerlos, was sogleich höhnisches Gelächter einiger deutscher Fahrgäste hervorrief. – Kurz vor der Grenze kündigte die Stimme die nächste Station auf deutscher Seite an und verabschiedete sich freundlich. Wie gewohnt nicht nur auf tschechisch, sondern auch auf deutsch.

Auf deutschem Gebiet begrüßte mich im Namen der Deutschen Bahn AG die Lautsprecherstimme eine neu zugestiegenen Zugführers. Diesmal einsprachig und in breitem Sächsisch. Ich habe es dennoch verstanden, aber hätte es eigentlich ganz nett gefunden, wenn dieselbe Stimme sich neben der sächsischen auch um eine tschechische oder gar ungarische Begrüßung bemüht hätte. Wenigstens ein, zwei auswendig gelernte Sätze, dachte ich. Denn daß ein deutscher Schaffner wirklich Tschechisch oder Ungarisch kann, das verlangt ja niemand.

Aber es würde dazu führen, daß nicht nur die deutschen Fahrgäste das Gefühl haben dürften, als Kunden der Deutschen Bahn willkommen zu sein, sondern auch die aus Budapest und Prag hergereisten. Und natürlich hätte ich gern gehört, was passiert, wenn der sächsische Akzent sich mit dem tschechischen verbindet! Doch das wär wohl ein zu spezielles Interesse. Nein, nach vielen Auslandsreisen weiß ich, sobald ein internationaler Zug auf das Hoheitsgebiet des Grundgesetzes einfährt, sprechen die Lautsprecher der Deutschen Bahn nur deutsch. Kein Italienisch, kein Polnisch, kein Dänisch. Und wie uns die Deutsche Bahn auf Anfrage versichert, soll das auch so bleiben.

Wo kämen wir hin, wenn ein deutscher Lautsprecher in einer Fremdsprache radebrechen würde. Ein Glück, daß es das sächsische Bayerisch oder Schwäbisch gibt und uns das Gefühl vermittelt, daß die deutsche Sprache Nachbarn hat – das verbindet uns immerhin. Richard Szklorz

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