■ Bei Ministers zu Haus (1) – die Heime unserer Regierung: Alles andere als bäuerlich
Der neue Bundestag ist gewählt, der Koalitionsvertrag unterschrieben, und 15 nigelnagelneue Minister beziehen ihre Posten. Die Wähler sind verwirrt: Wer sind die Menschen, die da plötzlich im Fernsehen auftauchen? Wo kommen sie her, und vor allem: Wie sieht es bei ihnen zu Hause aus? Fragen, die nur mit einer peniblen Wohnungsinspektion bei den neuen Ministern beantwortet werden können: In unserer neuen Serie „Bei Ministers zu Haus“ besuchen wir heute den zukünftigen Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke.
Der Feldweg schlängelt sich durch die triste niedersächsische Landschaft. Hier, im Norden des Landes, in der direkt am Jadebusen gelegenen beschaulichen Gemeinde Varel-Dangast, bewirtschaftet der zukünftige Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke bis heute seinen Hof. In den achteinhalb Jahren, in denen Funke in Hannover das Landwirtschaftsressort leitete, hat er seinen Nebenberuf als Bauer nie aufgegeben. Die Arbeit im Kuhstall und auf den Feldern war für den 52jährigen Funke immer ein willkommener Ausgleich zur trockenen Büroluft, dem Wälzen der unzähligen Aktenordner und den ermüdenden Sitzungen in der Landesregierung. Außerdem ist Funke in seiner Heimatstadt Varel seit 1981 der Schultes – keine leichte Aufgabe im niedersächsischen Norden und schon gar nicht in der direkt am Jadebusen gelegenen Gemeinde Varel-Dangast.
„Schön, daß Sie mich hier in meiner Heimat besuchen!“ Karl- Heinz Funke steht im Eingang des umgebauten Bauernhauses: „Kommen Sie rein!“ Mollige Wärme und schummriges Licht umgeben den Besucher. An der Garderobe hängt ein türkisfarbener Bademantel, einige Seidenhemden und ein prall gefüllter Kulturbeutel. Es riecht nach Parfüm – Opium? „Lassen Sie sich von der Unordnung nicht stören“, ruft Funke und stapft voran. Er öffnet die Türe zum Wohnzimmer, sammelt entschlossen einige Zeitschriften zusammen und läßt sich auf einer mit rotem Samt bezogenen Chaiselongue nieder. „Jetzt, wo der Koalitionsvertrag unterschrieben ist, habe ich zum Glück noch einige Tage, um das Leben zu genießen – trinken Sie auch einen Amaretto?“ Karl-Heinz Funke kramt freudig die bereits halbgeleerte Flasche unter einem mit kitschigen Porzellanengeln beladenen Beistelltischchen hervor und schenkt ein. Als er sich über den Tisch beugt, öffnet sich der Kragen seines lachsfarbenen Seidenhemds, und ein goldener, herzförmiger Anhänger wird sichtbar.
„Landwirtschaft ist zwar mein Beruf“, blinzelt Funke, „ich habe aber auch andere Interessen. Ich kenne mich in der politischen Theorie genausogut aus wie in schöngeistiger Literatur!“ In seinen puscheligen, dunkelvioletten und mit goldenen Troddeln besetzten Hausschuhen schreitet Funke durch das alles andere als bäuerlich eingerichtete Wohnzimmer und schlägt die schweren Samtvorhänge etwas zurück: „Schweine, Kühe, Aktenordner – ja, ja!“ Leicht erregt wippt er mit dem Amaretto-Glas in der Hand in den Hausschuhen hin und her. „Das kann nicht alles im Leben sein“, sagt er und deutet auf eine ca. 80 Zentimeter hohe Marmorstatue. „Diana, die Göttin der Jagd“, erklärt er mit schwärmerischem Unterton. Er liebe die Kunst, fügt er hinzu und rückt dabei eine Plastikrosenkette zurecht, die von dem schweren Kristallüster in der Mitte des Raumes baumelt – jetzt, nach einem längeren Blick auf die Einrichtung des Landwirtschaftsministers, drängt sich dem Besucher doch der Eindruck einer gewissen Überladenheit auf. Auch will der Glastisch mit Porzellanelefanten- Unterbau so gar nicht mit den feinziselierten Kaffeehausstühlchen harmonieren. Man fragt sich da doch: Wie mag erst Funkes Büro aussehen? Und wie seine Politik? Matthias Thieme
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