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Etat 1999 – „Vergnügen auf Pump“

■ Bremer Senat geht von Fortsetzung der Sanierungshilfen aus / Mützelburg: Lafontaine sei dank / Linnert: Und was ist 2003?

„Wir waren optimistisch. Und die Ergebnisse geben uns jetzt recht. Wir haben gesät. Und jetzt können wir mehr und mehr ernten“, mit diesen Worten zog Finanzsenator Hartmut Perschau in seiner Rede zum Etat 1999 eine Bilanz der letzten Jahre Sanierungspolitik. Bremen liege beim Wirtschaftswachstum vor dem Bundesdurchschnitt, auch bei den Steuereinnahmen zeige der Trend „eindeutig nach oben“.

Gleichzeitig verkündete Perschau wieder, der Weg werde „hart, steinig und dornenreich“ bleiben: „Wir haben keinen Anlaß , uns auf den Lorbeeren auszuruhen.“ Für die kommenden fünf Jahre ist in der Bremer Finanzplanung die erwünschte Fortsetzung der Sanierungshilfen fest eingeplant. „Damit muß die Sanierung erfolgreich abgeschlossen werden.“ Eine „verantwortliche Landespolitik“ würde zum Ziel haben müssen, daß die Zins-Zahlungen dann nur noch 16 Prozent der Steuereinnahmen fressen. „Mit weiterer Hilfe von außen werden wir nicht rechnen können. In der Regierung verantwortlich handeln kann deshalb jetzt und in den kommenden Jahren nur, wer sich dieser Aufgabe bewußt ist. Anders werden wir die Selbständigkeit unseres Landes nicht sichern können.“

Derzeit muß Bremen 25 Prozent seiner Steuereinnahmen für die Tilgung ausgeben. Nach der mittelfristigen Finanzplanung, die der Finanzsenator mit dem Etat 1999 vorgelegt hat, wird Bremen das Ziel 16 Prozent nicht erreichen.

Für die Opposition ging vor allem Dieter Mützelburg, Fraktionssprecher der Grünen und Haushaltsausschuß-Vorsitzender, mit der Haushaltsrede Perschaus scharf ins Gericht. Auf weitere Sanierungs.-Milliarden könne Bremen nach dem Bonner Regierungswechsel mehr als vorher hoffen, meinte Mützelburg. „Herr Perschau wird sich noch einmal freuen, daß Oskar Lafontaine in der neuen Bundesregierung sitzt.“

Den Etatentwurf für 1999 aber nannte Mützelburg „unehrlich, unseriös und unhaltbar“. Nicht einmal die Lücken aus 1998 seien gestopft, die Ausgaben für 1999 seien nicht vollständig gedeckt. „Der Senat hat es nicht für nötig befunden, für die ihm bekannten Probleme Lösungsvorschläge zu machen.“

Vor drei Jahren habe der Finanzsenator angekündigt, daß Einwohner- und Arbeitsplatzzahlen erheblich steigen müßten, damit die Sanierung gelingt. Die Einwohnerzahlen sind seitdem um 5.000 gesunken, berichtete Mützelburg, die Zahl der Arbeitsplätze um 10.000. Das Land werde am Ende der vier Jahre großer Koalition für 2 Milliarden Mark Werte verkauft haben, um Löcher im laufenden Haushalt zu stopfen. „Neue Werte für die zukünftigen Generationen wurden damit nicht geschaffen.“ Und dann sei alles verkauft, „danach geht gar nichts mehr aus eigener Kraft“.

Was als „Verkauf“ ausgegenen wird, seien zum Teil dabei nur indirekte Kreditaufnahmen, weil Jahr für Jahr Leasing-Raten anfallen oder bisherige Einnahmen wegfallen. Beim Investitions-Sonder-Programm (ISP) sei es ehrlicher, zu sagen, daß der Senat beabsichtigt, Jahr für Jahr für 600 Millionen Mark neue Kredite aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund müsse überlegt werden, ob sich das alles rechnet, was da finanziert wird. Vieles sei „Vergnügen auf Pump“.

Karoline Linnert von den Grünen ging noch einen Schritt weiter. Sie warf der Koalition vor, eine Politik „nach mit die Sintflut“ zu machen. Während Schönrederei zur „vaterländischen Pflicht“ gemacht werde, handele der Senat in Wahrheit so, „als sei im Jahre 2003 sowieso alles zu Ende.“ Daß die CDU sich darum wenig sorge, könne sie „verstehen“, meinte Linnert bitter, die sei ja nicht zwingend wieder im Senat, aber die SPD müsse es ausbaden, „worüber hier das Mäntelchen der Liebe gedeckt wird“.

Die Bürgerschaft hat den vom Senat vorgelegten Etat–99, der Ausgaben von 7,5 Milliarden Mark umfaßt, gestern mit den Stimmen von SPD und CDU in erster Lesung gebilligt und an den Haushalts- und Finanzausschuß überwiesen. K.W.

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