: Schäuble-Vorschlag soll die Grünen quälen
Die CDU denkt schwarz-grün: Der Vorstoß von CDU-Chef Wolfgang Schäuble löst in den Realo-Landesverbänden der Grünen im Saarland und in Baden-Württemberg jedoch keine Begeisterung aus ■ Aus Stuttgart Heide Platen
Pünktlich zum CDU-Parteitag hat sich nun auch Angela Merkel dazu geäußert: Schwarz-grüne Bündnisse auf Landesebene sind denkbar. Die Partei habe ganze Wählergruppen aus dem Blick verloren, zum Beispiel alleinerziehende Mütter, Künstler und Wissenschaftler. Merkel, die heute zur neuen CDU-Generalsekretärin gewählt wird, setzte die Diskussion fort, die vor einer Woche von ihrem Parteichef Wolfgang Schäuble losgetreten worden war. Der hatte vor allem in Richtung der absoluten saarländischen SPD-Mehrheit gestichelt, die mit dem Weggang von Oskar Lafontaine durch Schwarz-Grün gebrochen werden könnte.
CDU-Politiker in Berlin, Hamburg und Hessen reagierten sehr ambivalent auf Schäubles Vorstoß. Andere, darunter der hessische Spitzenkandidat Roland Koch, waren verärgert „über das Techtelmechtel“ und schlossen solche Bündnisse für die Zukunft völlig aus. Die von Schäuble umworbenen saarländischen Grünen reagierten besonders schroff. Der Fraktionsvorsitzende Hubert Ulrich nannte den Schäuble-Vorschlag „völlig aus der Luft gegriffen“. Er sei, vermutete Pressesprecher Klaus Damde, wohl eher dazu gedacht, „uns zu quälen“.
Da FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle gerade versuche, seine Partei für die Zukunft salonfähig für die SPD zu machen, so der Grüne, brauche „die CDU eben auch wen“. Eine Koalition mit der CDU auf Landesebene sei jedoch undenkbar. Das kleine Saarland solle mal wieder „als Reagenzglas für Politikerplanspiele“ herhalten. Die saarländischen Grünen seien zwar ein „pragmatischer Landesverband“, aber die inhaltlichen Differenzen zur CDU vor allem in der Bildungs-, Familien- und Wirtschaftspolitik seien viel zu groß. Es gebe eigentlich nur einen gemeinsamen Nenner: die 13 Jahre währende, absolute SPD-Mehrheit. „Der Filz muß weg“, meint der Grüne Damde.
Im Saarland gibt es bisher keine kommunalen schwarz-grünen Koalitionen. Nur im Kreistag von Saarlouis arbeiten beide Parteien von Zeit zu Zeit zusammen, „überraschend gut“, wie die Grünen betonen. Trotzdem ist auch der saarländische CDU-Chef Peter Müller wenig begeistert von Schäubles Vorschlag. Er kommt ihm ein Jahr vor der saarländischen Landtagswahl sichtlich ungelegen. Müller wird nicht gern daran erinnert, daß er in den zurückliegenden Monaten solche schwarz-grünen Bündnisse nicht ausgeschlossen hatte. In Bonn war er damals jedoch auf Unverständnis gestoßen. Die aktuelle Debatte war in dieser Woche von seinem Parteikollegen, dem saarländischen Bundestagsabgeordneten Peter Altmaier, unterstützt worden. Dieser lobte die Grünen für ihre bewahrende Politik im Umweltschutz.
Den Grünen in Baden-Württemberg hingegen ist der Gedanke an eine schwarz-grüne Koalition nicht einmal eine Presseerklärung wert. Pressesprecher Rudi Hoogvliet: „Far out, völlig abwegig, der Vorschlag.“ Der grüne Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn findet, ein solches Bündnis komme nicht in Frage. Er sehe derzeit keine politischen Berührungspunkte zwischen den beiden Parteien. Dazu müsse sich die CDU erst einmal „gewaltig“ ändern.
Die Grünen im Südwesten standen allerdings als ausgemachte Realpolitiker 1992 bei der Basis im Verdacht. Damals waren nach der Landtagswahl Sondierungsgespräche geführt worden. Kommunale Bündnisse zwischen Christdemokraten und Grünen gibt es bisher dennoch nicht, höchsten, so Hoogvliet, „eine punktuelle Zusammenarbeit“. Das liege allerdings nicht nur an der gegenseitigen Abneigung, sondern am kommunalen Verwaltungssystem, das ohne Koalitionen auskommt und zum Beispiel dem schwarzen Stuttgarter Stadtoberhaupt Schuster einen Bürgermeister der Grünen zur Seite stellt.
Auch bei der Südwest-CDU hält sich die Begeisterung für Schäubles Vorschlag in Grenzen. Die Kultusministerin und designierte stellvertretende Bundesvorsitzende Annette Schavan warnte, ihre Partei dürfe sich nicht zu koalitionsfähig für die Grünen machen. Die Zeit absoluter Mehrheiten sei zwar vorbei und Partnersuche angesagt. Die Identität der CDU müsse aber gewahrt bleiben, neue Wege erst noch gefunden werden. Der Fraktionsvorsitzende Günther Oettinger flüchtete sich in die Vorwärtsverteidigung. Verändertes Familienbild, Vereinzelung, Egoismus, Politikverdrossenheit, fehlende innere Sicherheit und Förderung des Gemeinsinns seien künftige Politikfelder der CDU, auf denen sie sich von dem „verwaschenen rot-grünen Fürsorgeprogramm mit umfassender staatlicher Reglementierung“ als Volkspartei abgrenzen könne.
Außenminister Joschka Fischer hatte für diese Gedankenspielereien nur ein vernichtenden Urteil übrig: „Diese Diskussion langweilt mich.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen