: „Die Sache ist einfach passiert“
■ Vor dem Hamburger Amtsgericht muß sich seit gestern ein junger Jaguarfahrer wegen fahrlässiger Tötung verantworten
„Der Arme“, sagt ein Journalist auf dem Gerichtsflur mitfühlend: „Das kann doch jedem passieren.“ Auch er sei heute morgen mit seinem Wagen weggerutscht. Völlig verdutzt sei er auf dem Glatteis an der Parklücke vorbeigeschliddert.
Wahrscheinlich hat Bülent A. wirklich nur getan, was alle tun, als er am 16. Januar mit überhöhter Geschwindigkeit auf der Stresemannstraße fuhr und einen anderen Wagen rechts überholte. Aber war es deswegen nur sein Pech, daß er die Kontrolle über seinen Jaguar verlor? Der Wagen krachte in ein Bushäuschen, tötete eine dort wartende Frau und verletzte fünf Menschen zum Teil lebensgefährlich. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn daraufhin wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und Gefährdung des Straßenverkehrs an. Seit gestern verhandelt das Amtsgericht.
Bülent A. ist gerade 20 Jahre alt geworden. Der junge Türke ist sorgsam gekleidet: Schwarze Bundfaltenhose, schwarze Chintzjacke, weißes Hemd, Pomade im Haar. Die Lackschuhe hat er für die Verhandlung auf Hochglanz poliert. An der linken Hand zieht er seine Ehefrau hinter sich her. Damals, im Januar, war er noch 19 Jahre alt, hatte den Führerschein auf Probe und war mit Papas Jaguar unterwegs. 150 PS, feiner Wagen. Am Steuer er, hinter ihm drei Frauen und zwei kleine Kinder. Den sicherheitstechnisch vorgeschriebenen Kindersitz gab es nicht. Es war gegen halb elf Uhr abends, dunkel, auf der Straße vom langanhaltenden Regen ein schmieriger Film.
Trotzdem überholte Bülent A. immer wieder. Einmal, zweimal. Beim Wiedereinscheren dann, kurz vor der Bushaltestelle „Schützenstraße“, beschleunigte er nach den polizeilichen Ermittlungen plötzlich noch einmal stark. Das Heck des Jaguars brach aus. Der Wagen kam ins Schleudern, drehte sich um die eigene Achse, bretterte dabei in das Bushäuschen, ehe er schließlich mit Blick in die falsche Richtung zum Stehen kam. „Die Sache ist passiert, ich weiß auch nicht wie“, sagt Bülent A. vor Gericht. Er wisse gar nicht, „was ich für einen Fehler gemacht habe“. Ob das heißen soll, daß er immer so schnell fahre, will eine Schöffin daraufhin von ihm erfahren, aber so will Bülent A. seine Bemerkung dann doch nicht verstanden wissen.
Er meint, nur sechzig Stundenkilometer gefahren zu sein. Die Staatsanwältin geht davon aus, daß es zwischen 65 und 80 Stundenkilometer waren. Zwei ZeugInnen, die damals ebenfalls auf der Stresemannstraße Richtung Innenstadt fuhren, sagen, er habe sie beim Überholen „geschnitten“.
Seinen Rechtsanwalt habe er gebeten, Kontakt zu den Verletzten aufzunehmen und sich zu entschuldigen, behauptet Bülent A. Auch im Prozeß sagt er einmal, „die Verletzungen und der Tod tun mir leid, das wollte ich nicht“. Seine Stimme hat dabei einen fast trotzigen Unterton. Der Prozeß wird kommende Woche fortgesetzt. Elke Spanner
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