: „Nicht revolutionär, aber schön“
■ Die Gesamtschule West hat ein paar Öko-Nischen – ansonsten ist sie einfach ein moderner, schöner Schulbau
Sechs Jahre hat der „Arbeitskreis ökologische Schulbausanierung“ der Gesamtschule West gezetert, geworben, geplant. Jetzt ist der Schulneubau – der jüngste in der Pleitestadt – fertiggestellt. Und trotzdem riecht es im Eingang wie bei Zimmermanns Restposten – nach Plastic, PVC und chemischen Ausdünstungen. Sehen so ökologische Erfolge aus?
Lehrer Klaus Peter Ifland reagiert auch auf provozierende Fragen gelassen. „Ach, da wird noch nachgebessert“, deutet er auf die Silicontuben weiter hinten in der Ecke. Nicht alles sei eben Gold. „Aber wir Lehrer an der Schule haben mitterweile einen langen Atem.“ Die Lungen hat die pädagogische Belegschaft im jahrelangen Reden für einen Neubau – und gegen eine teure Sanierung – trainiert. In manchen Ecken des Schulkomplexes werden sie noch heute, nach über 19monatiger Bauzeit, immer noch überdurchschnittlich beansprucht. Denn hinter den naturwissenschaftlichen Räumen wummmern immer noch die Bagger, daß die neuen Wände manchmal wackeln. Aber der alte Betonflachbau aus den 80er Jahren, in dem vor den Sommerferien noch unterrichtet wurde, ist fast schon verschwunden.
Das neue Schulhaus, das eigentlich aus sechs „Jahrgangshäusern“ besteht, die an einem langen schmalen Hauptbau für Verwaltung, Musikzimmer, Computerraum und Spielothek und Cafeterie andocken, ist für die nur noch rund 460 SchülerInnen insgesamt kleiner als vorher ausgefallen. „Und heller, schöner, besser zu belüften.“ Die Lobesarien – auch der SchülerInnen – sind ausgiebig. Eike, Jan und Willi, alle aus dem achten Jahrgang, hätten zwar statt des Linoleums lieber wieder Teppichfußboden gehabt – „das ist leiser.“ Auch daß die – wenn auch durchgehend klimatisierte und künstlich beleuchtete – Weite des alten Hauses fehlt, bemäkeln sie. Und das lange Warten auf den ISDN-Anschluß fürs heiß begehrte Internet. „Von den Bauarbeitern aus Versehen gekappt“, berichten sie. Aber wie die Lehrer Werner Emde und Klaus Peter Ifland leben sie mit der Aussicht: „Das wird schon noch alles.“
Dabei hatte die Öko-Planungs-crew einige Hoffnungen begraben müssen. Die auf Solarenergie beispielsweise. Beim Stadtwerke-Preisausschreiben wurde sie nach, wie sie meinen, „reichlich undurchsichtigen Kriterien“, per Los abgelehnt. Auch die erhoffte Windenergieanlage für die neue GSW fiel dem Maßstab „Wirtschaftlichkeit“ zum Opfer. Geblieben ist jetzt nur noch eine kleine Öko-Nische: Der Regenwassersammeltank wird künftig vor dem allerletzten Rest alter GSW, vor den Kunst- und Technikräumen, aufgestellt. Von dort sollen alle Toiletten im ganzen Gebäude – das mit den symmetrisch angeordneten Jahrgangshäusern von oben wie ein plattgedrückter Käfer mit sechs Beinchen aussieht – mit Regenwasser versorgt werden.
Eigentlich ist es ein sehr konventioneller Schulbau“, sagt der zuständige Architekt von BreHoch, Ekkehart Sielmann. „Nichts Revolutionäres. Nur ganz schön.“ Die Ideen der 68er, „von Chancengleichheit und einer durchlässigen Gesellschaft“ seien zwar auch ganz schön gewesen – aber leider nicht die Architektur, die sich an diesen Prinzipien orientierte. Bestes Versagensbeispiel: Die großen weiten Flure und Ebenen, wo alles möglich sein sollte – und in Wirklichkeit doch nicht war. Die theoretisch verschiebbaren Wandelemente beispielsweise, und das nicht nur, weil die in der Praxis gar nicht leicht zu verstellen waren, sondern auch, weil die Voraussetzung dafür war, weite Bereiche nur automatisch zu belüften und beleuchten. Bei veränderten Klassenzimmergrößen hätte man sonst ständig ein Problem wegen fehlender Lichtschalter oder Fenster gehabt. So hatte man – neben der PCB-Ausdünstung aus dem Material und dem Asbest – noch andere: „Je nachdem, wie die Wände verstellt wurden, wurde die warme Heizungsluft oben direkt wieder rausgezogen.“
Das alles ist vorbei. Nach Wunsch der Planungsgruppe stehen hohe Fenster heute über Eck – fürs bessere Belüften. Wie überhaupt überall viel Glas eingebaut wurde. Im Dach, als Zwischenwand zum Freizeitzimmer, sogar in den Türen zu den Unterrichtsräumen sind runde Gucklöcher eingelassen. „Das ist nicht nur gut“. sagt Sven. „Viele klopfen, gucken und winken. Das stört“, sagt Sven. Die Lehrer bleiben stoisch: „Das wird sich legen.“ Zumal in den Jahrgangshäusern nur die Kinder von jeweils zwei Jahrgängen etwas zu suchen haben. Da kennt man sich, das ist überschaubar – genau wie der Pausenhof, den die Kids aus der oberen Etage direkt über die Außentreppe ansteuern können.
„Unser Konzept heißt – vielleicht etwas altmodisch – Heimat geben“, sagt Ifland zur heutigen Bauweise. Auch sie folge – wie die Vorgängerruine – einer bestimmten Logik: Am hinteren Ende stehen die Jahrgangshäuser der fünften und sechsten Klasse am größten Spiel- und Pausenhof. „Der Schonraum“, sagt Emde. Je älter die SchülerInnen aber werden, desto näher liegen ihre Jahrgangshäuser räumlich am Haupteingang. Oder am Ausgang eben – denn direkt gegenüber steht die Berufsschule – „die Zukunft.“ Durch die vielen Scheiben im Schulhaus kann man sie quasi ständig im Auge behalten.
Architekt Spielmann winkt ab. Er nennt das Gestaltungsprinzip „konventionell.“ In manchen Punkten sogar zu konventionell, läßt er durchblicken. Die Jahrgangshäuser hätte er doch lieber schief an den Haupttrakt gepuzzelt. Umweltfreundlich sei die Schule nach heutigen Maßstäben so weit als möglich – und bezahlbar.
Zwar ist die neue Schule schon bezogen, die Feste sind gefeiert. Die neue, rundgebaute Disco am Kopf des Haupttraktes, direkt zwischen zwei großen Eingängen, also dort wo man früher vielleicht eine Kapelle gebaut hätte, kam samt Lightshow zum Einsatz. Aber so ganz hat die Ökogruppe ihre Arbeit noch nicht beendet. „Wir begleiten den Prozeß weiter“, sagen die Lehrer Ifland und Emde. Wie die Pflanzen auf den Gründächern der freistehenden Maschinenräume müsse doch noch einiges wachsen. Das Müllbewußsein beispielsweise. Denn noch ist die Verschiedenfarbigkeit, das Gelb und Grau der Abfallkörbe nämlich, bedeutungslos. Das soll sich ändern. Die Mülltrennung soll kommen. Und große Kaloriemeter, auf denen der Wärmeverbrauch abzulesen ist. „Damit können wir lernen, Energie zu sparen“, erklärt Physiklehrer Emde. „In dem Moment, wo die Schulen ihren eigenen Etat zugewiesen bekommen und jeder Schule direkt das eingesparte Geld wieder zugute kommt, wird uns das nützen.“ ede
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