: Plutonium in der Elbmarsch
Neue Studie weist radioaktive Verseuchung rings ums AKW Krümmel nach. Hamburgs grüner Umweltsenator Porschke spricht von einem Alarmsignal ■ Von Sven-Michael Veit
„Plutonium“, sagt Alexander Porschke, „ist immer ein Alarmsignal.“ Und die vorliegenden Ergebnisse seien „besorgniserregend“, konstatiert Hamburgs grüner Umweltsenator. Denn die Umgebung des Atomkraftwerks Krümmel bei Geesthacht soll radioaktiv belastet sein. Und zwar mit dem gefährlichsten aller Stoffe: Plutonium.
Das belegt eine Untersuchung der Wissenschaftlerin Prof. Inge Schmitz-Feuerhake von der Universität Bremen, die im Auftrag der „Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch“ entstand. Die Studie, die heute offiziell veröffentlicht werden soll, liegt der taz hamburg bereits im Wortlaut vor. Er werde die Expertise „sofort prüfen lassen“, erklärt Porschke. Der Reaktor wird von den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW) gemeinsam mit dem Hannoveraner Stromkonzern PreußenElektra betrieben, die Atomaufsicht liegt aber beim Energieministerium in Kiel. „Mit dem“, so Porschke, „werden wir uns über die Stichhaltigkeit dieser Untersuchung“ verständigen.
In sieben von zwölf Staubproben, die in Häusern der niedersächsischen Samtgemeinde Elbmarsch gesammelt wurden, hat die Physikerin erstmals hohe Konzentrationen des Atombombenstoffes Plutonium 241 nachgewiesen. Der höchste Wert beträgt 110 Becquerel pro Kilogramm Staub. Die Proben wurden zwischen Mai und August dieses Jahres in Gebäuden in 1,5 bis 5 Kilometer Entfernung vom Reaktor entnommen. Die beiden Spitzenwerte wiesen ein offener Schuppen und ein offener Dachboden im Ortsteil Marschacht auf.
„Je besser die Durchlüftung ist“, kommentiert Helga Dieckmann von der Bürgerinitiative, „desto höher sind die Werte. Das Plutonium muß hier überall in der Luft sein.“ Schon winzigste Mengen des ultragiftigen Schwermetalls können, wenn sie eingeatmet werden oder in Hautwunden gelangen, Lungen- oder Blutkrebs (Leukämie) auslösen.
„Die Ergebnisse sind ganz eindeutig. Es gibt auch kein Problem, weitere Proben zu beschaffen“, erklärte Schmitz-Feuerhake gestern. Für sie gibt es keinen Zweifel daran, daß „der Reaktor Krümmel radioaktive Stoffe abgegeben hat, die er nicht abgeben durfte, und die er nach Angaben der Betreiber auch nie abgegeben habe“.
HEW-Sprecher Johannes Altmeppen stellte gestern die Glaubwürdigkeit der Wissenschaftlerin in Frage. Schmitz-Feuerhake hat bereits mehrere Untersuchungen über Ursachen für die gehäuften Leukämie-Erkrankungen in der Elbmarsch vorgelegt. Die sind alle, so Altmeppen, „bei Überprüfungen zusammengebrochen. Das wird hier auch so sein.“
Das AKW Krümmel steht seit längerem im Verdacht, ein „Leukämie-Reaktor“ zu sein. Seit 1989 waren in der Elbmarsch zehn Kinder, ein Jugendlicher sowie zehn Erwachsene an Leukämie erkrankt. Zwei Kinder und der Jugendliche starben. Seit 1991 versuchen Wissenschaftler im Auftrag von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, den Ursachen auf die Spur zu kommen. Die Untersuchungen zum Beispiel von Muttermilch, Bodenproben oder Rinderknochen kamen bislang zu unterschiedlichen Ergebnissen. Schmitz-Feuerhake zählt zu den WissenschaftlerInnen, die radioaktive Emissionen aus dem Atomkraftwerk für die Blutkrebserkrankungen verantwortlich machen.
Auch wegen einer Reihe von Defekten geriet der Siedewasserreaktor Krümmel immer wieder in die Schlagzeilen, zuletzt im Juli dieses Jahres. Damals war eine Sicherungsmutter an den Steuerstäben im Reaktordruckbehälter abgefallen. Das Kieler Energieministerium hatte den Vorfall als „sicherheitstechnisch höchst bedeutsamen Defekt“ eingestuft.
Seit Juni ist das AKW wegen Wartungsarbeiten nicht am Netz. So solle es auch bleiben, forderte gestern der energiepolitische Sprecher der GAL, Lutz Jobs. So lange die Befunde der Plutoniumstudie von Schmitz-Feuerhake nicht widerlegt seien, „muß das AKW abgeschaltet bleiben“.
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