: Das Elchtestjubiläum Von Elke Wittich
Als vor einem Jahr die A-Klasse bei einer Testfahrt in Schweden umkippte, da dauerte es nicht lange und Deutschland hatte ein neues Wort gelernt: Elchtest. Beim folgenden heftigen Amüsement über den kippeligen Mercedes wurden die Elche jedoch völlig vergessen.
Dabei gehörten sie bis zur Erfindung des Automobils zu den Tieren, die keinen großen Ärger veranstalten. Ein einzelner Elch durchstreift gewöhnlich friedlich ein großes Areal, läßt sich durch Seen und Flüsse nicht aufhalten, schließlich kann er gut schwimmen, und läßt Spaziergänger in Ruhe, denn er hat keine Zähne im Oberkiefer.
Trotzdem hat der Elch auch Nachteile, nicht nur, weil er ein vegetarischer Allesfresser ist. Er hat zwar lange Beine und es deswegen besonders schwer, sich zur Nahrung herunterzubeugen, aber dann geht er einfach in die Knie. Besonders gern trampelt er jedoch in Kornfeldern herum, zum Schrecken der Bauern, denen er durchaus ein ganzes Feld ruinieren kann. Auf frischer Tat ertappt, wird er deswegen häufig erschossen.
Bedroht wird der Hufer jedoch nicht nur von Jägern, Raubtieren und Krankheiten, sondern vor allem auch von Autos. Besonders schwierig wird die Situation für Autofahrer dadurch, daß Elche sowohl tag- als auch nachtaktive, extrem dumme Tiere sind. Ein norwegischer Biologe bemerkte dazu: „Der Elch hat mehr als 1.000 Jahre gebraucht, bis er lernte, daß Menschen eine Gefahr für ihn sind. Ebensolange wird es wohl dauern, bis er Autos als Feinde anerkennt.“
500 Elche werden in Norwegen jedes Jahr bei Autounfällen getötet, 300 bezahlen das blöde Herumstehen auf Zuggleisen mit ihrem Leben. Wenn 400 Kilo Elch durch eine Windschutzscheibe fliegen, sind die Folgen absehbar: Jeder dreihundertste Zusammenstoß mit einem Elche endet tödlich – von 1993 bis 1997 registrierten die Behörden allein im Süden Norwegens 326 Unfälle mit 432 Verletzten.
Dabei müssen Skandinavier manchmal nicht nur ins Krankenhaus: Ein Unfall, der sich im Sommer dieses Jahres an der norwegisch-schwedischen Grenze nahe Halden ereignete, endete für die fünf Autopassagiere sogar im Gefängnis: In der Werkstatt, in die der verbeulte Wagen gebracht worden war, stieß man bei der Reparatur auf immerhin 20 Kilogramm gut verstecktes Haschisch.
Auch für Elche gelten im Rausch definitiv keine mildernden Umstände: Ende Oktober terrorisierte einer die Bewohner eines schwedischen Bauernhofes. Er hatte dort auf einer Wiese herumliegende Äpfel entdeckt und gegessen, die allerdings schon gegoren waren. „Der Elch torkelte deutlich berauscht herum, aber das Alkoholniveau in seinem Blut machte ihn nicht umgänglicher“, berichtete die norwegische Zeitung Dagbladet. Bauer Tore Hildeberg, von der besoffenen Bestie schließlich sogar angegriffen, mußte in sein Haus flüchten und die Polizei verständigen. Als die ankam, war das Tier jedoch wahrscheinlich irgendwo hingegangen, um seinen Rausch auszuschlafen.
Zwei Tage lang hatten Hildebergs daraufhin ihre Ruhe, aber dann war das Viech plötzlich wieder da. Um Äpfel zu essen, voll und rabiat zu werden. Und für tierische Säufer gibt es in Skandinavien erst recht kein Pardon: Der Bauer rief diesmal nicht die Polizei, sondern gleich einen Jäger, der den hilflosen Elch aufspürte und erschoß. Tore Hildebergs Tiefkühltruhe ist seitdem voller Elch.
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