: Neu Blüten im bayerischen Sumpf
In Affären um das Rote Kreuz und um die katholischen Dorfhelferinnen setzt sich die alte bayerische Amigo-Tradition fort ■ Von Bernd Siegler
Nürnberg (taz) – Der Amigo ist tot, es leben die Amigos! Bayerns ehemaliger Ministerpräsident und Ober-Amigo Max Streibl wurde gerade standesgemäß mit Gebirgsschützenparade und Böllerschüssen in Oberammergau zu Grabe getragen, da treibt der Amigosumpf im Freistaat neue Blüten. Ein Klassiker ist dabei der Subventionsbetrug in Millionenhöhe bei den katholischen Dorfhelferinnen: Die Dreifaltigkeit aus katholischer Kirche, Bauernverband und CSU ist darin verstrickt. Auch die Schmiergeldaffäre beim Blutspendedienst (BSD) des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) bereitet dem als Saubermann angetretenen Streibl-Nachfolger Edmund Stoiber Sorgen: erneut sind CSU-Honoratioren involviert.
Allen voran marschiert der Landtagsabgeordnete Albert Schmid, ehrenamtlicher Präsident des BRK. Nachdem der 55jährige in der seit Monaten schwelenden Affäre stets beteuert hatte, von nichts eine Ahnung zu haben, leitete die Staatsanwaltschaft MünchenI gegen ihn Ermittlungen wegen Untreue ein. Schmid soll leitende Mitarbeiter angestiftet haben, Unterlagen verschwinden zu lassen, in denen auf „gravierende Unregelmäßigkeiten“ beim BSD hingewiesen und davor gewarnt wurde, die BSD-Geschäftsführung zu entlasten. Schmid stimmte dennoch für die Entlastung der früheren BSD-Geschäftsführer Heinrich Hiedl und Adolf Vogt. Dadurch, so die Staatsanwaltschaft, seien mögliche Rückforderungen des BRK erschwert oder gar unmöglich gemacht worden.
Während Schmid den Vorwurf als „völlig aus der Luft gegriffen“ zurückweist, aber sein Amt bis zur Klärung ruhen läßt, sitzt Vogt seit Anfang November in Untersuchungshaft. Er war von 1982 bis 1997 kaufmännischer Geschäftsführer des Blutspendedienstes. Zusammen mit Hiedl soll er die Organisation um mindestens drei Millionen Mark geschädigt haben, indem er überteuerte Blutbeutel und medizinische Geräte gekauft und dafür Geschenke und Reisen angenommen habe. Von einem Handel mit verseuchten Blutkonserven aus der DDR in die USA ist ebenso die Rede wie von Millionenüberweisungen auf BRK-Konten in Liechtenstein.
All dies war Schmid, der sowohl dem Verwaltungsrat des BSD als auch dem BRK-Präsidium angehörte, spätestens im März 1997 bekannt. Damals wurde ihm ein Gutachten überreicht, das im Auftrag seines Vorgängers Reinhold Vöth erstellt wurde und detailliert die Praktiken beim BSD offenlegte. Es blieb ohne Konsequenzen.
„Man sollte die Verantwortlichkeiten da lassen, wo sie sind“, weist Schmid nun Gedanken an einen Rücktritt zurück. Auch CSU-Sozialministerim Barbara Stamm, immerhin Vizepräsidentin des BRK, will bleiben: „Man verläßt nicht ein Schiff oder eine Mannschaft, wenn es Schwierigkeiten gibt.“
Schwierigkeiten gibt es nicht nur beim BRK. Das „Kuratorium katholischer Dorfhelferinnen und Betriebshelfer“ beantragte angesichts von Subventionsbetrügereien in Millionenhöhe und entsprechender Rückforderungsbescheide Konkurs. Die vom Freistaat jährlich mit rund 13,5 Millionen Mark unterstützte Organisation sollte laut Festlegung des Landwirtschaftsministeriums mit ihren 470 Angestellten den „durch Erkrankung in Schwierigkeiten geratenen bäuerlichen Familienbetrieben kontinuierliche Hilfe“ zukommen lassen. Doch schon der Rechungshof rügte, die Helferinnen würden zu fast 50 Prozent entgegen den gesetzlichen Regelungen eingesetzt. So halfen sie etwa als kostenloser Party-Service bei Geburtsfeiern von Prominenten. Dem ehemaligen Geschäftsführer Martin Berger wird vorgeworfen, Abrechnungen manipuliert, Fördergelder in Höhe von zehn Millionen Mark erschlichen und in gleicher Höhe Steuern hinterzogen zu haben.
Bis November 1997 lebte Berger, bis dahin rund 40 Jahre lang Geschäftsführer des Hilfswerks, in Saus und Braus. Dann wurde ihm gekündigt. Vergangene Woche saß der 68jährige gar für fünf Stunden in Haft, bevor er 100.000 Mark als Kaution hinterlegte.
Obwohl schon 1980 der Rechnungshof die Abrechnung des Kuratoriums bemängelte, wurde das Hilfswerk in der Folge weder vom Finanz- noch vom Landwirtschaftsministerium überprüft. Als der Betrug dann letztlich Ende 1997 aufflog, dauerte es noch einmal fast ein halbes Jahr, bis die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde. Die Rückforderungsbescheide über rechtswidrige Zuschüsse, die sich inzwischen auf 7,9 Millionen Mark belaufen, wurden vom Landwirtschaftsministerium gar erst im Juni ausgestellt.
„Wir haben nicht genügend kontrolliert“, gestand CSU-Landwirtschaftsminister Josef Miller ein. Man sei zu „gutgläubig“ gewesen. Kein Wunder, sitzen doch im Vorstand der bis vor kurzem noch gemeinnützigen Einrichtung Prälat Paul Wolfrum für die katholische Kirche, Landesbäuerin Irmgard Hartmann für den Bauernverband und Bezirksrat Hans Oberpaul für die CSU.
Zusätzlich geraten CSU-Landwirtschaftsstaatssekretärin Marianne Deml und der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion Alois Glück in die Schußlinie. Deml war vor ihrem Einzug in den Landtag stellvertretende Vorsitzende der Landvolkbewegung, auf deren Konten Geschäftsführer Berger die Zinserträge der als Festgelder angelegten Dorfhelfer-Subventionen parkte.
Glück hatte sich dafür stark gemacht, daß dem Kuratorium die Gemeinnützigkeit nicht entzogen und zusätzlich ein Teil der zehn Millionen Mark erschlichenen Subventionen erlassen werden sollte. Das im Sommer im Landtag verabschiedete Landwirtschaftsförderungsgesetz, das im nachhinein den Einsatz der Dorfhelferinnen auch bei Nichtbauern legitimierte, hatte ebenfalls Glück eingebracht. Doch der Fraktionschef wäscht seine Hände in Unschuld: „Ich habe mit dem Desaster soviel zu tun, als wenn draußen Schnee liegt oder nicht!“
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