: „Freunde der Eisenbahn“ geschnappt
BKA überwältigt Erpresser der Deutschen Bahn AG bei der Geldübergabe. Sie gestanden drei Anschläge. Sicherheitsmaßnahmen bleiben vorerst. Viele Trittbrettfahrer wollten mit kassieren ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Wiesbaden (taz) – Ein Sonderkommando des Bundeskriminalamtes (BKA) mit dem Namen „Zug“ hat in der Nacht zu Mittwoch den mutmaßlichen Haupttäter im Erpressungsfall der Bahn überwältigt und festgenommen. Es soll sich um einen 46 Jahre alten deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Sachsen handeln. Er war schon früher einmal im Rahmen polizeilicher Ermittlungen bei einem Erpressungsfall mit Entführung „auffällig geworden“, teilte der Leiter des Kommandos, Peter Hauk, gestern in Wiesbaden mit.
Das Einsatzkommando schnappte den Erpresser bei der Geldübergabe auf der Rastanlage Irschenberg an der Autobahn München–Salzburg. Hauk erklärte, bei einer ersten Vernehmung habe der Festgenommene seine „Tatbeteiligung“ bei drei Anschlägen auf Strecken der Bahn AG eingeräumt: am 8.12. auf die ICE-Strecke Hannover–Berlin, am 16.12. auf die Strecke Berlin– Stralsund im Bereich Bahnhof Wilmersdorf und am 18.12. auf die Strecke Greifswald–Anklam bei Klein Bünzow. Dort waren die Lok eines Güterzuges und zehn Waggons entgleist, nachdem die Täter Bahnschwellenschrauben entfernt und die Gleise angehoben hatten.
Das Sonderkommando „Zug“ nahm gestern morgen um 8.30 Uhr einen gleichfalls in Sachsen lebenden weiteren Tatverdächtigen in seiner Wohnung fest. Der Mann soll früher in Westdeutschland in einem Haus gewohnt haben, in dem ein Trainigszentrum der Bahn AG untergebracht war. Auf ihn war das Auto zugelassen, mit dem der Hauptverdächtige am Dienstag zum Rastplatz Irschenberg gefahren war, um die vermeintlichen 10 Millionen Mark „Lösegeld“ abzuholen.
Das Geld sollte sich – wie abgesprochen – im Kofferraum des Übergabefahrzeuges befinden, das von Beamten des BKA besetzt war. Als der mutmaßliche Haupttäter den Kofferraumdeckel aufriß, um die Taschen herauszunehmen, schlug das Sonderkommando zu. „Nur Bruchteile von Sekunden“ habe es gedauert, dann sei der Mann überwältigt gewesen, sagte Hauk.
Ob mit den beiden Sachsen alle Mitglieder der Gruppe „Freunde der Eisenbahn“ gefaßt wurden, ließ Hauk gestern offen. Die Gruppe hatte seit dem 23.11.98 die Bahn AG erpreßt. Die Ermittlungen laufen weiter. BKA-Chef Ulrich Kersten erklärte, wieder einmal hätte der Beweis geliefert werden können, daß sich Erpressungen nicht lohnten: „Die Geldübergabe ist der wunde Punkt.“
Bei seiner Vernehmung hatte der 46 Jahre alte Mann auch ausgesagt, auf den Bahnhöfen Frankfurt/Main, Nürnberg und Hamburg „Sprengfallen“ gebaut zu haben. Die Suche nach den „Sprengfallen“ verlief jedoch ergebnislos.
Bahn AG und Bundesgrenzschutz wollen die umfangreichen Sicherungsmaßnahmen auf Bahnhöfen und auf den Fahrstrecken zunächst weiter aufrechterhalten, betonte Bahnchef Johannes Ludewig. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß sich wieder „Trittbrettfahrer“ meldeten. Seit dem vergangenen Montag verlangten insgesamt 18 Personen von der Bahn AG Geld und drohten mit Sachbeschädigungen und Gewalt gegen Menschen. Einer forderte 1.400 US-Dollar.
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