: „Ich durfte nicht reinquatschen!“
Der Kabarettist Matthias Deutschmann feiert ein Comeback in der Schach-Bundesliga, kann aber seinem virtuellen Alter ego namens Fritz noch nicht das Wasser reichen ■ Von Hartmut Metz
„Ich kenne eine Million Eröffnungszüge. Und du?“ Solcherlei provokante Fragen mußte sich Matthias Deutschmann bei seinem Comeback in der Schach-Bundesliga für den SK Freiburg-Zähringen verkneifen. Entsprechend entschuldigte der Kabarettist seine Niederlage im Match gegen den USC Magdeburg: „Ich durfte ja nicht reinquatschen!“ Daß das die eigentliche Stärke des 40jährigen – nicht nur von Berufs wegen – ist, wissen rund 200.000 Käufer des Schachprogramms Fritz. Bei einer schnellen Niederlage höhnt der mit 800 Sprüchen gespickte Bestseller über die Lautsprecher, „Deine Art zu spielen benötigt wenig Speicherplatz.“
Das hätte die Situation am Ende der Bundesliga-Rückkehr nicht treffender beschreiben können. „Der Terminator“ gegen das „längst in der eigenen Seichtigkeit erstickte Genre“, wie ein Kritiker den scharfzüngigen Deutschmann einst charakterisierte, patzte. Zunächst hatte der Waldkircher die Eröffnung aber sehr bedächtig gespielt. Fritz hätte sich gewiß bei seinem Sprecher unruhig erkundigt: „Höre ich da etwa ein Buch rascheln?“ Dann aber übermannte den Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 1994 „purer Leichtsinn“. Anstatt wie auf der Bühne den leichten Degen einzusetzen, blieb der badische Jugendmeister von 1977 beim Finale auf dem Brett beim schweren Säbel. Der Angriffsspieler, der seinem Naturell entsprechend kein „Mäuschen“ abgeben will, agierte wie ein Haudrauf und wollte dem gegnerischen Monarchen ans Leder. Was er im Kabarett bei unter der Gürtellinie agierenden Kollegen wie Ingo Appelt nicht schätzt, erwies sich diesmal auch auf den 64 Feldern als zu plump. „Dabei freute ich mich schon innerlich – doch ich hatte die falsche Vision“, mußte er nach zehn Jahren Bundesliga- Pause zugeben und fand die Schlappe „ärgerlich“, zumal sie seinem Zähringer Team einen Mannschaftspunkt kostete.
Sein „arrogantes“ Geisteskind Fritz hätte die Partie dagegen wohl unbarmherzig zum Sieg geführt. Und danach entsprechend triumphiert, etwa mit dem Satz: „Würde mal sagen, das war ELO 800.“ Was der Schwäche eines Anfängers entspricht. „Mit seinen frechen Aussagen bringt Deutschmann die nötige Schärfe und den richtigen Biß in die Partien“, freut sich Matthias Wüllenweber, der Schöpfer des Schachprogramms Fritz, das nach kleiner Stichelei („Auf geht's zum nächsten Reinfall“) vor allem in fünfminütigen Blitzpartien mittlerweile selbst Weltklassespieler vorführt. Davon träumte einst auch Matthias Deutschmann. „Von 1973 bis 1979 habe ich im Schach voll gepowert. Da fuhr ich über Neujahr ins englische Mekka Hastings und so“, erzählt der Breisgauer, der sein Biologiestudium hinschmiß und „eigentlich Schach- Großmeister werden wollte“. Daraus wurden dann bis 1988 „nur“ zwölf Jahre erste und zweite Bundesliga mit Zähringen.
Ab 1978 verschrieb sich der von seinem Heimatblatt Badische Zeitung als „mal Adler, mal Eule der Minerva und manchmal auch nur Papagei“ gepriesene Waldkircher der Kleinkunst. Dort greift Deutschmann, so meint die Süddeutsche Zeitung, nach den „Wurzeln der Worte, um mit ihnen zuzuschlagen“. Anfang Januar tut er dies im Berliner Mehringhoftheater in seinem pessimistisch in Moll gehaltenen Rückblick „Finalissimo“, in dem der SC-Freiburg- Fan urteilt: „Zwei Weltkriege und dreimal Weltmeister – das reicht für dieses Jahrhundert.“
Deutschmann sieht sich in der Bundesliga in einer ähnlichen Rolle als Underdog wie die Fußballer seiner Stadt. „Mir fehlt die Praxis. Man muß die Kirche im Dorf lassen: Von der Papierform her habe ich als Ersatzspieler gegen die Halbprofis an den hinteren Brettern die Erwartungen tief zu hängen.“ Dennoch will er den „geistigen Kampfsport und das Abenteuer im Kopf“ mit den Besten nicht missen. Schach ist für ihn „ein großes Testfeld für Willensstärke, Beharrlichkeit und die Charaktereigenschaften“.
Die nächste Bewährungsprobe wartet am 31. Januar gegen Meister Porz. „Die Großmeister kochen auch nur mit Wasser“, beruhigt sich der Kabarettist vor dem „spaßigen“ Vergleich mit dem Elite-Oktett. Den Spruch sollte er unbedingt in die nächste Fritz-Version aufnehmen, damit das vorlaute Alter ego bei entsprechenden Siegen über Großmeister verbal Rache für Deutschmann übt.
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