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KommentarSinnlose Platzverbote

■ Scheinlösung von Kontroll-Freaks

Platzverbote für Personen, die verdächtigt werden, eine Straftat begehen zu wollen, werden rein gar nichts für die innere Sicherheit der Stadt bringen. Die Neuregelung, auf die sich gestern die Innenpolitiker von CDU und SPD verständigt haben, ist Ausdruck einer verfehlten Kontrollmanie der CDU. Doch vordergründiger Aktionismus, der dem Bürger mit Scheinlösungen mehr Sicherheit vorgaukelt, bringt nichts. Wer Drogendealern ein Platzverbot erteilt, erreicht nur, daß sie sich mit ihren Kunden an einem anderen Ort treffen werden. Diesen Verdrängungseffekt erzielte die Polizei schon bislang mit Razzien. Auch die Sanktionen, die bei der Nichtbeachtung des Platzverbotes drohen, werden einen Drogendealer kaum abschrecken. Er hat allenfalls den Abtransport in einen anderen Teil der Stadt zu befürchten. Einziger Effekt der Neuregelung dürfte die Arbeitsersparnis für Polizisten sein, die Drogendealern bislang nur einen täglichen Platzverweis erteilen konnten.

Allerdings liegt im möglichen Mißbrauch des Platzverbotes eine Gefahr für den Rechtsstaat. Welche Anhaltspunkte für eine geplante Straftat muß ein Polizist nachweisen können, um einem Verdächtigen ein Platzverbot auszusprechen? Ist es zulässig, einem vorbestraften Taschendieb den Zugang zum Breitscheidplatz zu verweigern, weil man ihm erneut Diebstahlsabsichten unterstellt?

Erst recht problematisch ist die Anwendung des Platzverbotes auf Demonstranten. Kann jedem, der bei der letzten Randale am 1. Mai wegen Landfriedensbruch verurteilt wurde, ein Platzverbot für das Demonstrationsgebiet in Prenzlauer Berg erteilt werden? Oder bedarf es doch konkreter Anhaltspunkte für eine neue Gewalttat? Die geplante Regelung wirft mehr Fragen als Antworten auf.

Auf Drängen der CDU hat die SPD schon vor einigen Wochen der Einführung von „lagebildabhängigen Kontrollen“ zugestimmt: Wenn der Polizeipräsident die Begehung „erheblicher Straftaten“ erwartet, können Polizisten auch ohne Anfangsverdacht die Ausweise jedes Bürgers kontrollieren. Gestern blieben die sinnlosen Platzverbote immerhin das einzige Zugeständnis, das die SPD dem kontrollwütigen Koalitionspartner machte. Dorothee Winden

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