: Das Schlimmste siegt und geht in Ordnung
■ Michael Bogdanov zeigt eine hübsche Neuauflage von „Reineke Fuchs“ in Altona
Wer sich einen schönen alten Film anschauen möchte, der muß nur in eine Viedeothek gehen und ein paar Mark bezahlen. Aber wer eine schöne alte Theaterinszenierung noch einmal erleben möchte, kann gar nichts machen. Außer er hat selber ein Theater und gute Beziehungen: Dann lädt er den Regisseur eben zu sich ein und bittet ihn, aus der schönen alten Inszenierung ein schöne neue Inszenierung zu machen. Unwahrscheinlich ist das zwar, aber nicht unmöglich. Axel Schneider, Intendant am Altonaer Theater, hat's geschafft, und am Sonntag war Premiere.
Einen Monat nach Peter Zadek kehrte so mit Michael Bogdanov ein weiterer ehemaliger Schauspielhaus-Intendant nach Hamburg zurück, um hier ein Stück auf die Bühne eines kleinen Theaters zu bringen. Und so wie Zadek mit Gesäubert! in den Kammerspielen seinen Prinzipien treu blieb (Realismus! Provokation!) handelte auch Bogdanov bei seinem Reineke Fuchs (Unterhaltung! Schönheit!): Er studierte seine erfolgreiche Schauspielhaus-Inszenierung von vor zehn Jahren einfach mit anderen Schauspielern ein und änderte wenig.
Doch diese Phantasielosigkeit sei Bogdanov verziehen angesichts des Reichtums an Phantasie, mit der er und sein Team an Goethes Werk herangehen. Da ist vor allem die Kostüm- und Bühnengestaltung von Chris Dreyer, wo eine Kappe oder ein Umhang einen sekundenschnellen, äußerst plausiblen Rollenwechsel ermöglichen, wo einige lange Äste mal Wald, mal Wasser, Tor oder Trage abgeben. Hinzu kommt viel volkstümliche Musik, gespielt auf Bass, Schlagzeug, Keyboard, Akkordeon und Gitarre, und ebensolcher Tanz.
15 Mitglieder des Ensembles stehen zwei Stunden lang fast ununterbrochen auf der Bühne und tun dies voller Freude und Engagement. Bis auf eine Ausnahme, leider: Sprecher Niels Hansen verschlief bei der Premiere seine Einsätze, schnitt den Kollegen das Wort ab und verhaspelte sich obendrein. Doch Dietmar Pröll machte alles wieder gut: Sein Reineke Fuchs ist so fies und listig, so charmant und agil, wie es ohne zu übertreiben nur eben geht.
Alle Tiere sind gierig, grausam und korrupt, aber das schlimmste wird am Ende siegen und Macht über alle anderen erlangen: Goethes Aussage läßt Bogdanov unkommentiert. Das geht in Ordnung, wenn einer vor allem unterhalten will. Die Zuschauer haben einen hübschen, verträumten Abend mit diesem Frühjahrsmärchen, das sicher wieder ein Publikumserfolg wird. Lydia Bach
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