Nachgefragt: Stimmungsmache
■ CDU-Frau Mull gegen CDU-Kampagne
Die Bürgerschaftsabgeordnete Viola Mull (CDU) geht mit ihrer Partei hart ins Gericht. Die 32jährige ist neben Jens Eckhoff die einzige Bürgerschaftsabgeordnete, die sich geweigert hat, gegen die doppelte Staatsbürgerschaft zu unterschreiben.
Frau Mull, Sie haben ihren Namen nicht unter die Unterschriftsliste der CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gesetzt . Warum nicht?
Viola Mull: Gegen den Text der Unterschriftensammlung ist nichts zu sagen. Ich kann darin nichts Diskriminierendes finden...
Und warum unterschreiben Sie ihn dann nicht?
Ich bin der Meinung, daß mit dieser Unterschriftensammlung eine aggressive Stimmung in der Bevölkerung geschürt wird. Ich befürchte, daß viele Leute den Text anders auslegen und denken: Ich trage mich in die Liste ein, ich bin gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und gegen Ausländer. Das heizt die Stimmung auf eine Art und Weise an, die nicht im Sinne der CDU ist. Im Text steht ausdrücklich, wir wollen die Integration von ausländischen Bürgern.
CDU-Generalsekretärin Angela Merkel glaubt, daß Wähler von rechtsaußen nicht unterschreiben werden.
Das kann man doch aber nicht garantieren. Wenn man die Szenen beobachtet, die sich bei der Unterschriftensammlung abspielen, wie sich die Leute zum Teil beschimpfen, deutet das auf etwas anderes hin. Man muß sich die Frage stellen, wollen diese Leute die Integration wirklich? Oder meinen sie mit ihrer Unterschrift etwas ganz anderes, nämlich: Ausländer, bleibt draußen, wir haben Angst um unsere Sozialleistungen, Angst um unsere Rente. Das Thema ist zu komplex, als daß man Unterschriften sammeln könnte.
Was haben Sie bei den Unterschriftssammlungen beobachtet?
Beim Neujahrsempfang haben viele Leute unterschrieben, aber einige Leute fühlten sich beobachtet. Wenn man unterschreibt, muß man auch dazu stehen.
Aber auf dem Neujahrsempfang waren 3.000 Gäste – Mitglieder und Sympathisanten ihrer Partei. Die CDU war doch unter sich.
Ja, aber ich glaube, daß der eine oder andere das Thema schon differenzierter sieht und nur unterschreibt, weil der Druck so groß ist.
Sie sind gegen die doppelte Staatsbürgerschaft?
Ja, aber ich will eine Vereinfachung des Einbürgerungsgesetzes. Diese Unterschriftenaktion ist zu überstürzt und wird dem differenzierten Thema nicht gerecht. Die CDU hatte 16 Jahre Zeit, sich des Themas anzunehmen. Das ist uns aber nicht gelungen.
Wie hat die Fraktion eigentlich darauf reagiert, daß Sie nicht unterschrieben haben?
Wir haben nicht darüber gesprochen. Einige finden es mutig.
Fragen: Kerstin Schneider
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