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„Mit der PDS streiten, nicht über sie“

■ Reinhard Höppner, SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, über die Rolle der PDS im Magdeburger Modell und den Arbeitskreis Neue Mitte, über westdeutsche Solidarität und ostdeutsche Forderungen an die rot-grüne Koalition in Bonn

taz: Immer mehr Kritiker aus Ihren eigenen Reihen fordern, das Magdeburger Modell zu beenden. Gleichzeitig droht die PDS immer dann, wenn es an die Substanz geht, mit dem Ende der Tolerierung. Macht Ihnen das Regieren noch Spaß?

Reinhard Höppner: Ja, auch in dieser besonderen Konstellation. Das Regieren läuft im übrigen bedeutend reibungsloser ab, als es sich öffentlich darstellt. Wer sich umsieht, wird feststellen, daß unsere Zusammenarbeit nicht komplizierter ist als die mancher Koalitionen in diesem Land. Und die Kritiker seien daran erinnert, daß sie zu Beginn der Legislaturperiode akzeptierten, daß sich eine deutliche Mehrheit der SPD für die Fortsetzung des Magdeburger Modells ausgesprochen hat.

Sie selbst haben nach der Landtagswahl im vorigen Jahr Anfangsschwierigkeiten eingeräumt. Worin bestanden die?

Es gab eine grundsätzlich neue Situation: In den ersten vier Jahren des Tolerierungsmodells hatten wir einen rot-grünen Koalitionsvertrag. Damals sagte die PDS: Wenn ihr das, was dort festgeschrieben ist, einhaltet, tolerieren wir euch. Diesmal gibt es keine solche schriftliche Grundlage für die nächsten vier Jahre Regierungsarbeit. Damit fehlt der PDS die Grundlage zum Tolerieren. Deshalb sind jetzt mehr Gespräche untereinander nötig als vorher.

Die PDS zu entzaubern heißt für Sie, die Partei in Verantwortung einzubinden. Warum nicht gleich in einer Koalition?

Das Magdeburger Modell hat bis jetzt nur funktioniert, weil wir immer einen geradlinigen Weg gegangen sind. Das, was wir vor der Wahl versprochen haben, wird umgesetzt. Und vor dieser Wahl haben wir gesagt: Keine Koalition mit der PDS. Dabei bleibt es.

Ihr Finanzminister hat im Herbst einen Sparhaushalt vorgelegt, gegen den sich die PDS heftig wehrte. Jetzt gab es in fast allen Punkten Zugeständnisse gegenüber den Sozialisten. Ist das Endprodukt immer noch ein Sparhaushalt?

Ja, denn es hat nennenswerte Einschnitte gegeben. Ursprünglich wollte die SPD den zur Konsolidierung notwendigen radikalen Schnitt machen. Als Kompromiß mit der PDS ist jetzt ein Stufenprogramm daraus geworden. Kurz vor Abschluß der Beratung zum 99er Haushalt läßt sich sagen: Es ist gelungen, die für die Konsolidierung notwendigen Grundstrukturen zu installieren. Ich glaube, daß der Haushalt unter Dach und Fach ist.

Trotzdem konnte sich die SPD wieder nicht durchsetzen. Ihr Parteifreund Willi Polte, Magdeburgs Oberbürgermeister, meint, Sachsen-Anhalts Finanzen leiden unter den Zugeständnissen an die PDS.

Eine sehr seltsame Einschätzung des Herrn Polte. Seine Forderungen gegenüber dem Landeshaushalt entsprechen genau den Forderungen der PDS. Er hat in der PDS die besten Interessenvertreter. Wenn Polte konsequent denken würde, könnte er solche Bemerkungen nicht machen.

Polte gehört zu jenen SPD-Politikern, die die Zusammenarbeit mit der PDS anprangern und kürzlich den Arbeitskreis „Neue Mitte“ gegründet haben. Welche Rolle kann dieser Kreis in der Auseinandersetzung mit der PDS spielen?

Der entscheidende Irrtum der Gruppe liegt darin, daß sie glaubt, man könne die Diskussion um die PDS einfach mit einem Ächtungsbeschluß des SPD-Bundesvorstandes beenden. Eine absolut realitätsferne Vorstellung! Die PDS ist in den einzelnen Bundesländern unglaublich vielgestaltig, die politische Lage dort so unterschiedlich, daß nur ein sehr differenzierter Umgang möglich ist. Die SPD sollten mit der PDS streiten und nicht über sie.

Die Gründung des Anti-PDS- Kreises zeigt doch aber, daß es einen Diskussionsbedarf innerhalb der SPD gibt, der nicht abgedeckt wird.

Ich habe eher den Eindruck, daß sich dort Leute zusammengeschlossen haben, die sich in der Diskussion über die PDS nicht durchsetzen konnten, deren Argumente nicht überzeugend genug waren. Jetzt versuchen sie mit ihrem Arbeitskreis den nicht überzeugenden Argumenten doch noch ein Gewicht zu geben. Aber: In der Demokratie entscheiden Mehrheiten über den Weg. Bestimmte Minderheiten müssen offenbar noch lernen, damit umzugehen.

Ein Vorwurf der Gruppe ist, daß die PDS ihre politischen Leitbilder aus der Vergangenheit bezieht und man deshalb nicht mit ihr zusammenarbeiten dürfe. Was ist daran so falsch?

Ich habe aufmerksam verfolgt, daß auf dem PDS-Parteitag ein stärkerer Flügel gegenüber den eigenen Leuten den Vorwurf erhob, daß sie zu rückwärtsgewandt seien. Ich entdecke in der PDS allerdings auch immer mehr Menschen, die Politik überhaupt nur betreiben, weil sie mitgestalten wollen. Sie verfolgen sicherlich Gestaltungskonzepte, die ich nicht teile. Aber das ist nun einmal in einem demokratischen Spektrum so. Entscheidend für die künftige Zusammenarbeit mit der PDS ist, ob sie tragfähige Konzepte zu entwickeln vermag, die innerhalb der Partei auch mehrheitsfähig sind. Punktuell gelingt das heute schon. Insofern ist die Frage, wie sich die Politik der PDS entwickelt, weiter offen.

Sie wollen sich künftig stärker als Vertreter ostdeutscher Interessen in Bonn einbringen. Welche Forderungen haben Sie an Bonn?

Das Schöne ist, daß wir jetzt eine Art kleinen Dienstweg nach Bonn haben und nicht mehr alle Forderungen auf den Markt tragen müssen. Wir wollen verhindern, daß die besondere steuerliche Begünstigung der Sanierung denkmalgeschützter Gebäude in Ostdeutschland wegfällt. Das ist nicht nur für die Sanierung der Städte, sondern auch für die Arbeitsplätze im Handwerk besonders wichtig. Auch die Disparität der Strompreise muß beseitigt werden. Ich werde mich dafür einsetzen, daß die zu hohen Strompreise im Osten im Zuge der Energiekonsensgespräche angeglichen werden. Und dann steht der Solidarpakt II, der den Länderfinanzausgleich nach 2004 regelt, auf der Prioritätenliste.

Woher soll die Solidarität der westdeutschen Geberländer für einen neuen Vertrag kommen, wenn sich Sachsen-Anhalt heute Sachen leistet – Stichwort Kinderbetreuung –, an die dort nicht zu denken ist?

Das ist doch einer der Punkte, den wir mit dem neuen Haushalt verfolgen: Unsere Standards in das Spektrum dessen einzupassen, was man sich in Deutschland leisten kann. Ich glaube aber, es ist nicht berechtigt zu sagen, daß wir in Sachsen-Anhalt Luxusdinge haben, die sich andere nicht leisten können. Die Neiddebatte, die da gelegentlich geführt wird, ist außerordentlich gefährlich.

Nicht Bayern, sondern Sachsen- Anhalt hat die höchste Arbeitslosenquote, die zweithöchste Pro- Kopf-Verschuldung im Osten.

Richtig, deswegen ist es völlig berechtigt, daß die Bayern ein bißchen Solidarität mit dem ärmeren Ost-Land üben. Ein wesentlicher Sockel unserer Verschuldung kommt doch daher, daß wir in den ersten Jahren nach der Wende ganz bewußt und im Einvernehmen mit den West-Ländern Kredite aufgenommen haben. Die Einstellung war damals: Eine gewisse Grundverschuldung der Länder ist üblich; bevor wir zu einer Vereinbarung über einen längerwährenden Finanzausgleich kommen, könnt ihr euch ruhig verschulden. Interview: Nick Reimer

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