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Bestseller, Gebetbücher etc.Zeit der Einkehr

■ Vor dem Hochaltar der Schreiber: Heiner Geißler und Nicolas Evans erteilen bei ihren Signierstunden die Absolution

„Können Sie schreiben: ,Alles Gute zum 37. Geburtstag, von Bernd'?“ Nein, das gehe natürlich nicht, erklärt Nicolas Evans sehr geduldig, er könne schließlich nicht „von Bernd“ schreiben und dann seine eigene Unterschrift daruntersetzen. Das versteht Bernd. „Legen Sie doch einfach noch eine Karte dazu“, schlägt Evans vor. Gute Idee. Bernd sieht glücklich aus.

Der Engländer Nicolas Evans hat in den letzten drei Jahren zehn Millionen Exemplare seines Romans „Der Pferdeflüsterer“ verkauft, und jetzt ist er auf „Deutschlandtournee“. In Berlin war er zum Signieren bei Dussmann. Seine Fans haben sich ordentlich in einer langen Reihe vor dem Signiertischchen aufgestellt, den Roman in den gefalteten Händen wie ein Gebetbuch. Es sind fast nur Frauen, Bernd ist die Ausnahme. Aber Nicolas Evans ist natürlich zu allen gleich nett. Der charmante Bücherflüsterer schreibt „für Svenja“ und „für Gertrud“ auf die Deckblätter, lächelt und beantwortet Fragen. „Mochten Sie die Verfilmung Ihres Buches?“ stottert eine Teenagerin, die kurz davor ist, in Ohnmacht zu fallen.

Ein wunderbarer Film, findet Evans. Noch wunderbarer findet er es allerdings, daß das Mädchen vor ihm den Film selbst gar nicht gesehen hat. „Ich möchte nämlich meine eigenen Bilder behalten“, sagt sie, und ihre Augen leuchten: Im Kulturkaufhaus an der Friedrichstraße ist Lesen eine heilige Angelegenheit, zumindest an diesem Abend.

Die „Pferdeflüsterer“-Fans lieben das religiöse Moment der Signierstunde. Evans liturgische Freundlichkeit und seine kleinen, wohldosierten Aufmerksamkeiten werden wie Heilsbotschaften nach Hause getragen, seine Unterschrift auf dem Deckblatt besiegelt den Ablaß: „Vergeben seien euch all die schlechten Bücher, die Ihr sonst noch gelesen haben mögt.“ Amen.

Der ehemalige CDU-Generalsekretär und ehemalige Jesuitenschüler Heiner Geißler macht es seinen Jüngern nicht ganz so einfach wie Nicolas Evans. Auf Einladung der Buchhandlung Kiepert stellte er vergangene Woche im Meistersaal am Potsdamer Platz sein neues Buch vor, „Zeit, das Visier zu öffnen“, und die segnende Signatur mußte hart erkämpft werden: Bei jemandem wie Heiner Geißler gebietet das Ritual zunächst eine Art symbolischen Streit. Denn natürlich sind sich Heiner Geißler und seine Fans eigentlich seit Jahren einig: „So darf das in der CDU nicht weitergehen.“ Oder wie der Rheinland-Pfälzer Geißler es sagt: „Sodarfdasinderzehdehunichweitergehn.“

Doch nach einem kurzen Konsensvorspiel in Sachen „doppelte Staatsbürgerschaft“ schimpft Geißler ein wenig auf die ganz verkehrte Sozial- und Wirtschaftspolitik seiner Partei, und schon geht es los. Es kommt zu geradezu tumultartigen Szenen. „Was redet der denn da“, ranzt ein Mann seine Frau an und zieht sie kurz darauf demonstrativ aus dem Saal.

In der ersten Reihe erregt sich ein Vertreter des freien Wettbewerbs so sehr über das deutsche Kartellrecht, daß man Angst bekommt, er könnte sich gleich mit Benzin übergießen und verbrennen, und jemand, der gefährlich nach Junge Union aussieht, fängt jeden Satz mit der bedrohlichen Einleitung „Das Problem ist ja, daß...“ an. Und Zwietracht herrschte unter den Jüngern. Heiner Geißler giftet gehörig herum, stiftet mit verwirrenden Aussagen noch mehr Chaos („Ich bin natürlich auch gegen den Kapitalismus“), nur um dann – per pax universalis – den heiligen Frieden mit dem gemeinsamen Glaubensbekenntnis wiederherzustellen: „Sodarfdasnichweitergehn...“

Geißler läßt sich ein Bier bringen, zückt seinen Füller und signiert. Seine Gemeinde, fast alles Männer, übrigens, steht jetzt friedlich vereint an: Introibo ad altare Dei...

Der eine oder andere murmelt schüchtern noch mal „Gehtjawirklichnichweiterso...“ und Geißler, der Politikflüsterer, nickt gnädig: Absolution erteilt. Amen. Kolja Mensing

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