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Sportliche Abkehr vom Ehrenamt

■ Die Hamburger Turnerschaft von 1816 stellt als erster Sportverein der Hansestadt eine Auszubildende ein

Stefanie Wrage hat gestern ihre Ausbildung zur Bürokauffrau begonnen. Das wäre an sich nichts besonderes – würde sie nicht einen Teil ihrer Lehrzeit bei der Hamburger Turnerschaft von 1816 (HT 16) verbringen. Wrage ist damit die erste Azubi Hamburgs, die eine kaufmännische Lehre bei einem Sportverein absolviert.

Möglich machten dies der Hamburger Sportbund (HSB) und die Ausbildungsinitiative Hamburger Wirtschaft e. V., die seit 1983 Partner für eine Verbundausbildung vermittelt. Urprünglich richtete sich das Angebot, neue Lehrstellen zu schaffen, an spezialisierte mittelständische Unternehmen, die nicht in der Lage sind, eine komplette Lehre anzubieten. Durch Kooperation mit einer anderen Firma wird eine zweigeteilte Ausbildung geschaffen.

Drei Ziele hat die von der Hamburger Wirtschaft finanzierte Initiative: Sie will zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen, die ansonsten nicht angeboten würden, sie fördert durch die Kombination zweier spezialisierter Betriebe eine innovative Ausbildung und sie schafft einen neuen Markt für Azubis und Firmen.

„Mittelfristig ist es unser Ziel, das Berufsbild des Sportkaufmanns durchzusetzen“, stellt Sportbund-Präsident Klaus-Jürgen Dankert fest, und der Geschäftsführer der HT 16, Armin Pilsinger, stimmt ihm zu: „Ein Verein in unserer Größe braucht hauptamtliche Mitarbeiter.“ Die rund 8000 Mitglieder zählende Turnerschaft hat bereits 54 feste Mitarbeiter in allen Vereinsbereichen, von der Verwaltung bis hin zum Platzwart.

Die Tendenz zu hauptamtlichen Mitarbeitern in Sportvereinen wird sich in Zukunft verstärken. Die Zeiten, als man sich einfach nur traf, um gemeinsam Sport zu treiben, sind vorbei. Immer mehr große Vereine verstehen sich auch als Dienstleister, die ein breites Angebot an Sportarten haben oder Fitneßcenter betreiben. „Auf der anderen Seite haben wir auch eine gesellschaftspolitische Verpflichtung“, weist Pilsinger auf die komplexen Aufgaben in der Jugendarbeit und in den sozialen Brennpunkten der Stadt hin. In diesen Bereichen könne man nicht nur mit Ehrenamtlichen arbeiten.

Mindestens sieben weitere Lehrstellen sollen in diesem Jahr bei Sportvereinen oder -verbänden geschaffen werden, mit dem Ziel wirtschaftliches Know-How mit der Freude am Sport zu verbinden. Stefanie Wrage fiel die Entscheidung für den HT 16 leicht. Die Hockeyspielerin – „beim HSV“ – fühlte sich sofort wohl, als sie zum Bewerbungsgespräch kam. „Die Kinder, die alten Leute, das war gleich wie ein Zuhause.“ else

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