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Windstrom für China und Bayern

■ Regenerative Energien: Ohne politische Rückendeckung läuft nichts. Deutsche Kleinst-Windkraftanlagen sind zwar weltweit spitze. Doch die deutschen Hersteller haben gegen die subventionierte US-Konkurrenz auf

Klaus Krieger wühlt in seinen Ordnern. „Irgendwo müssen sie doch sein“, meint der 44jährige Maschinenbauingenieur. Sein Blick fällt auf einen kleinen braunen Umschlag. Krieger verteilt den Inhalt wie ein buntes Puzzle auf seinem Arbeitstisch. „Hier sieht man, wie wir mit unseren Propellern Strom in die innere Mongolei geliefert haben“, sagt er. Eine Pionierleistung der Firma Wenus aus Erftstadt bei Köln. Die Fotos sprechen für sich. Direkt neben schlichten Lehmhütten tauchen zwei 5-kW-Windräder auf. Seit 1991 drehen sich die Turbinen in der Wüstensteppe, laufen problemlos und versorgen 200 Menschen mit elektrischer Energie.

Doch ohne staatliche Unterstützung wäre dieses Projekt nicht realisiert worden. Seit 1989 arbeiten das Bonner Entwicklungs- und das Forschungsministerium mit chinesischen Behörden an einer Verbesserung der ländlichen Stromversorgung in der autonomen Region Innere Mongolei. In diesem riesigen Gebiet von 1,2 Millionen Quadratkilometern mit nur 20 Millionen Einwohnern liegen die meisten Dörfer weitab vom öffentlichen Versorgungsnetz. Krieger zeigt uns eine Landkarte. Rote Punkte markieren die chinesischen Standorte der Wenus-Mühlen. Häufig taucht im Umkreis von 500 Kilometern nicht einmal eine Kleinstadt auf. „In den weiten Steppen an der nördlichen Grenze Chinas weht der Wind ebenso stark und oft noch kräftiger als an der deutschen Nordseeküste“, sagt Krieger. Ideale Voraussetzungen für Wind-Batterie-Systeme als autonome Kleinkraftwerke.

Vor allem das Forschungsministerium hat im Rahmen des Programms „Eldorado-Wind“ den Einsatz des Windrades mit der Typenbezeichnung Inventus massiv gefördert. In einer zweijährigen Testphase ist der Kleinstpropeller bis 1993 so modifiziert worden, daß er der rauhen Umgebung mit Tiefsttemperaturen von minus 40 Grad sowie Staub- und Sandstürmen standhalten kann. Die Technik ist erprobt, doch sind die Förderprogramme schon seit über einem Jahr ausgelaufen. Und seitdem macht sich Krieger große Sorgen über die Zukunft seiner winzigen Mühlenschmiede: „Der Absatz stockt, obwohl der Bedarf riesig ist.“ Dabei hatte alles so gut angefangen. 1986 wurde die Firma Wenus von einigen Ingenieuren gegründet. Bereits ein Jahr später hatte Krieger den Prototyp der „Inventus 6“ mit einer Nabenhöhe von 13 Metern in der Ortschaft Bergheim direkt neben der Autobahn A 61 installiert. Nach einer einjährigen Testphase wurde das Windrad mit dem „Zertifikat des Germanischen Lloyd“ ausgezeichnet und erhielt die „Deutsche Typenprüfung“. Branchenkenner wissen, daß der Wenus-Propeller bestens für die dezentrale Stromversorgung kleiner Dörfer in Entwicklungsländern geeignet ist. Die Anlage verfügt über sehr gute Schwachwind-Eigenschaften, die Montage ist ohne den Einsatz umfangreicher technischer Hilfsmittel möglich. „Für den Aufbau braucht man keinen Kran, da reichen ein paar Leute aus“, erklärt Krieger. Herzstück der Turbine ist der 4-Blatt-Rotor. Die patentierte passive Rotorblattverstellung bewirkt durch aerodynamische Kräfte eine exakte Regelung der Leistung oberhalb der Nenngeschwindigkeit. „Die Spannungen und Frequenzen werden den jeweiligen Netzbedingungen der Länder angepaßt“, sagt der Wenus-Geschäftsführer. Insgesamt 30 Inventus-Mühlen hat Krieger ins Ausland geliefert, überwiegend nach China.

Doch von einem Selbstläufer kann längst noch keine Rede sein. Bei seiner jüngsten Reise nach Fernost ging Krieger mal wieder leer aus. Der amerikanische Hersteller Bergey hatte die Nase vorn. Der Erftstädter Unternehmer ist frustriert: „Wir können technologisch ein wesentlich besseres Produkt liefern, doch die Amerikaner machen zur Zeit das Rennen, weil ihre Exporte vom Wirtschaftsministerium massiv bezuschußt werden.“ Mit zinsgünstigen Krediten öffne die US-Regierung ihren Mühlenbauern die Märkte in den Entwicklungsländern. Für Krieger ist schon lange klar, daß es zwar für seine rund 40.000 Mark teure Inventus-Anlage weltweit einen riesigen Bedarf gibt, aber noch keinen richtigen Markt. „Denn zum Markt gehören auch Kunden, die unser Produkt kaufen können. Doch genau das ist unser Problem: In den Entwicklungsländern gibt es kaum finanzkräftige Käufer“, meint er. Aus diesem Grund setzt Krieger seine ganze Hoffnung auf die rot-grüne Regierung in Bonn. Eine Exportoffensive nach amerikanischem Vorbild wünscht sich der rheinische Windmühlenbauer. Mit politischem Flankenschutz könnte ein regelrechter Boom losgetreten werden. Schließlich leben weltweit immerhin zwei Milliarden Menschen ohne elektrische Energie. „Das ist ein gewaltiges Potential für deutsche Hersteller, das wir auf keinen Fall den Amerikanern überlassen sollten“, so Krieger.

Seine Werkstatt ist fein säuberlich aufgeräumt. In einer Ecke hängen noch zwei Rotorblätter, einige technische Skizzen zieren die Wände. Erst im Februar werden die Maschinen wieder rattern. Dann soll eine Inventus nicht nach China, sondern nach Bayern geliefert werden. Und so ganz nebenbei erzählt Krieger beim Rundgang durch seine Werkstatt, daß allein im russischen Norden in diesem Winter auf der Kamtschatka- Halbinsel und der Tschukotka-Region acht Millionen Menschen verzweifelt auf der Suche nach Dieselkraftstoff sind. „Dort wird Lachs gegen Diesel getauscht, damit die Generatoren zumindest einige Stunden am Tag Strom liefern können“, sagt er. Kleine Windkraftwerke mit Batteriespeichern, kombiniert mit Wechselrichtern wären auch in dieser Region eine echte Alternative. Aber auch dort sind die Amerikaner schon wieder vor den deutschen Herstellern zum Zuge gekommen. Im Frühjahr sollen die ersten US-Turbinen an der Behring-See umweltfreundlichen Strom produzieren. „Ein Geschenk der Washingtoner Regierung“, weiß Krieger. Ein cleverer Schachzug. Denn laufen die Bergey-Mühlen erst einmal, dann wird es für deutsche Anbieter schwer, sich gegen die spendable US-Konkurrenz noch durchzusetzen.

Auch bei der Firma ATEV in Duisburg blickt man ein wenig neidisch auf die amerikanischen Hersteller. Dennoch: Geschäftsführer Detlef Hummes ist nicht ganz so pessimistisch wie Klaus Krieger. Hummes hat mit einem kleinen Team im September 1997 im Duisburger Stadtteil Rheinhausen die Firma „Autonome Energieversorgungssysteme“, kurz ATEV, gegründet. „Wir haben uns bewußt für Duisburg als Standort entschieden, weil hier die Rahmenbedigungen einfach optimal sind“, meint der promovierte Maschinenbauer. Sechs Ingenieure arbeiten an der Entwicklung von Windturbinen der Leistungsklassen zwischen 5 und 40 Kilowatt. Außerdem soll die Produktpalette durch die Markteinführung einer serienmäßigen kleinen Biogasanlage erweitert werden. „Weltweit ist in vielen Regionen eine Energieversorgung durch Netzanbindung nicht möglich oder auch wirtschaftlich nicht realisierbar. Und genau da wollen wir mit unserer Paketlösung aus Windkraft und Biomasse ansetzen“, erklärt Hummes.

In den kommenden Wochen laufen die ersten fünf „ATEV 6“ vom Band. Turm- und Gehäuseteile werden in einer ehemaligen Krupp-Werkstatt maßgeschneidert, alles Handarbeit. Knapp 35.000 Mark soll der Propeller der Duisburger Firma kosten. Trotzdem kann auch ATEV mit der amerikanischen Konkurrenz auf den internationalen Märkten preislich nicht mithalten. „Die US- Hersteller erhalten Exporthilfen. Mit Dumping-Angeboten machen sie uns das Geschäft kaputt“, schimpft Hummes. Von einem fairen Wettbewerb könne keine Rede sein. In Bonn müsse nun schnell reagiert werden, sonst würden die Amerikaner auf Kosten der deutschen Produzenten den internationalen Markt unter ihre Kontrolle bringen. Michael Franken

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