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Politik mit Indiskretionen

Bei der Kosovo-Konferenz arbeiten beide Seiten mit Gerüchten. Die Vermittler geben sich optimistisch. Strittig ist das Mandat für die Friedenstruppen  ■ Aus Rambouillet Erich Rathfelder

Die Kosovo-Verhandlungen im Schloß Rambouillet bei Paris gehen trotz der Störmanöver aller Seiten in dem von den internationalen Vermittlern gesetzten Rahmen weiter. Dies ist die Botschaft der federführenden Diplomaten bei den Gesprächen. „Wir werden eine Lösung finden, die allen Menschen im Kosovo gerecht wird“, erklärte der US-Amerikaner Christopher Hill, der gestern mit seinen Kollegen, dem Russen Boris Majorski und dem Österreicher Wolfgang Petritsch, zu einer Art Zwischenbilanz der seit drei Tagen laufenden Verhandlungen gestern vor die Presse trat. „Fortschritte werden gemacht.“

Wie diese in den Einzelheiten konkret aussehen, darüber wollten die Diplomaten allerdings nicht sprechen. Auch nicht über die Konflikte, die es bei den Verhandlungen gegeben hat. Dabei war schon längst durchgesickert, daß es zu einem regelrechten Krach zwischen dem russischen Unterhändler Boris Majorski und der kosovo- albanischen Delegation gekommen ist. Die Kosovo-Albaner hatten nämlich eine formelle Waffenstillstandsvereinbarung verlangt und zusätzlich Garantien von seiten der Nato. Nach kosovo-albanischen Angaben soll sich Majorski geweigert haben, diese Forderungen an die serbische Seite zu übermitteln.

„Diese Information ist eine Indiskretion der albanischen Seite“, erklärte Majorski verärgert auf der Pressekonferenz. Eine solche Vereinbarung sei in dem von den Unterhändlern vorgegebenen Verhandlungsrahmen nicht vorgesehen, sie sei deshalb nicht Gegenstand der Verhandlungen, bestätigten Petritsch und Hill.

Trotz aller Bemühungen der drei Diplomaten, als ein einheitliches Team aufzutreten, waren Nuancen doch zu spüren. Hinter den Kulissen ist es nämlich zu Auseinandersetzungen über das Mandat der internationalen Friedenstruppen gekommen, die im Kosovo stationiert werden sollen. Nach inoffiziellen Informationen wollen Rußland und auch Frankreich das Mandat begrenzen, während die USA und Großbritannien gerne ein Mandat mit großen Befugnissen haben möchten, um die Umsetzung der Vereinbarungen von Rambouillet zu garantieren. Indem Hill gestern betonte, daß nach einem Abschluß des Abkommens dessen „Implementierung gesichert werden muß“, machte er den US-amerikanischen Standpunkt deutlich.

Im Schloß selbst tagen die Verhandlungsdelegationen immer noch in getrennten Räumen. Sie werden sich auch während der nächsten Tage nicht an einen Tisch setzen. Diese Probleme haben einige der Journalisten beider Seiten glücklicherweise nicht. Wenn der Korrespondent der kosovo-albanischen Zeitung Koha Ditore mit der Korrespondentin der serbischen Tageszeitung Blic Informationen austauscht und im Restaurant eines Hotels der Korrespondent der Belgrader Presseagentur Tanjug in der Nähe des Sprechers der UCK sein Frühstück einnimmt, dann schwinden Berührungsängste.

Verärgert aber zeigt sich ein Großteil der Presse über die Informationspolitik in Rambouillet. Da über die Verhandlungen nur wenige offiziell abgesicherte Informationen nach außen dringen, jagen sich Spekulationen und Gerüchte. Sowohl das serbische wie das kosovo-albanische Verhandlungsteam machen sich diesen Zustand zunutze.

Von serbischer Seite wurde noch am Sonntag lanciert, die Albaner hätten grundsätzlich der „Autonomie und der Unverletzlichkeit der Grenzen“ zugestimmt, was so nicht zutrifft. Um ihrer Forderung nach Anerkennung der Kosova-Befreiungsarmee durch Belgrad durchzusetzen, lancierte dagegen das albanische Verhandlungsteam die Forderung nach einem formellen Waffenstillstand. Manche Gerüchte gingen sogar bereits von einem Scheitern der Verhandlungen aus.

Daher vertreten viele der Journalisten die Auffassung, über die gezielten Indiskretionen würde die internationale Presse und damit die Öffentlichkeit manipuliert. Deshalb fordern sie eine offenere Pressepolitik. Die Öffentlichkeit müsse umfassend über die Verhandlungen informiert werden.

Für die Diplomaten jedoch steht Vertraulichkeit an erster Stelle. „Die Verhandlungen sind ein Prozeß, Einzelergebnisse können jetzt nicht abgehakt werden. Wir werden erst am Ende, nach all den Gesprächen, das Bündel schnüren können“, erklärte Wolfgang Petritsch beschwichtigend.

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