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Mehr Raum für kleine Schnellboote

■ Ein Gespräch mit Peter Faulstich, Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Hamburg und langjähriges Vorstandsmitglied des "Arbeitskreises Universitäre Erwachsenenbildung", über Weiterbildung an

taz: Ist Weiterbildung überhaupt Aufgabe der Universitäten?

Peter Faulstich: Seit es Ansätze gibt, mehr Weiterbildung an den Universitäten durchzusetzen, kommen Anfragen von konservativen Professoren, die sagen, ihr macht ja nur eine universitäre Volkshochschule. Das ist Unsinn. Weiterbildung an den Universitäten ist Teil der Lehre und muß auf wissenschaftlichem Niveau gemacht werden. Es gibt eine Flut von Anbietern für Weiterbildung. Akademien, Berufsverbände, private Institute tummeln sich auf dem Markt, was sich verkaufen läßt, wird verkauft. Die Hochschule dagegen hat vor allem den gesellschaftlichen Auftrag, wichtige Weiterbildungsangebote zu machen, die eben nicht immer marktfähig sind.

Was heißt das?

Zum Beispiel in der Energietechnik nicht nur in einem Kurs beizubringen, wie man bessere Turbinen baut, die sich gut vermarkten lassen, sondern auch die Frage zu behandeln, ob diese Art der Energieerzeugung sinnvoll ist und was es für Alternativen gibt.

Wird an den Universitäten genug für die Weiterbildung getan?

Bei weitem nicht. Das Hochschulrahmengesetz 1976 verpflichtete die Hochschulen zur Weiterbildung. Seitdem sind Hochschulpolitiker, Wissenschaftsrat und Rektorenkonferenz nicht müde geworden, Absichtserklärungen abzugeben. Doch davon sind höchstens Ansätze umgesetzt worden. Woran hakt's?

Das ist erst mal eine Frage der beteiligten Personen. Die Professoren machen Karriere vor allem über ihre Forschung, nicht über ihr Engagement in der Weiterbildung. Gerade auf Fachbereichsebene ist Weiterbildung eine Aufgabe unter vielen. Die Leute in der Verwaltung sind mit einem Bereich konfrontiert, der mehr Flexibilität erfordert als sie gewöhnt sind. Und die Bildungspolitiker begreifen nicht, daß sich Weiterbildung an Hochschulen nicht zum Nulltarif machen läßt. Die Konkurrenz ist groß. Und mit vielen sinnvollen Angeboten universitärer Weiterbildung läßt sich kein Geld verdienen. Man bräuchte eine breite Weiterbildungspalette, die auch marktfähige Angebote aufnimmt.

Ist der Riesenorganismus Universität nicht zu schwerfällig, um einem flexiblen Sektor wie Weiterbildung gerecht zu werden?

In der Tat, Universitäten sind wie große Tanker, Weiterbildung dagegen wie ein kleines Schnellboot. Personalrechtlich können Hochschulen beispielsweise nicht so reagieren wie private Weiterbildungsträger. Die Personalabteilungen haben große Bedenken, daß sich hochspezialisierte Dozenten etwa einklagen könnten, wenn man eine Weiterbildung dauerhaft anbietet. Dauerangebote sind aber Auftrag der Universität. Doch es ist schwer kalkulierbar, was man zum Beispiel im hochspezialisierten IT-Bereich in einigen Jahren noch braucht. Bislang sind die Hochschulen auch noch nicht fit in der Vermarktung ihrer Angebote, sie haben wenig Erfahrungen in Marketing oder Werbung etwa.

Wie müßten sich die Hochschulen verändern?

Wenn Hochschulen mehr Weiterbildung anbieten, wird das umgekehrt die Universitäten enorm verändern. Das ist der wichtigste Effekt. Weiterbildung könnte ein wichtiger Innovationsstoß werden, um grundständige Bildung und ein modulares System der Aus- und Weiterbildung mit dem Berufsleben zu verzahnen. Diese Vernetzung ist dringend nötig, wenn die Unis den Bedürfnissen der Arbeitswelt gerecht werden wollen.

Besteht die Gefahr, daß die Unis zu Serviceorganisationen der Wirtschaft werden?

Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, daß sich die Hochschulen auch nach den Bedürfnissen der Berufsfelder ausrichten. Ein zu enger Zugriff der Wirtschaft wäre allerdings ein Problem. Es kommt darauf an, daß die Hochschulen ihr besonderes Profil in der wissenschaftlichen Weiterbildung bewahren. Interview: Anja Dilk

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