Analyse: Den USA den Vortritt
■ EU-Ratspräsident Joschka Fischer jettete in fünf Tagen durch Nahost
Die Stationen der Reise erinnern an die Wege von Bill Clintons Nahost-Sondervermittler Dennis Ross oder US-Außenministerin Madeleine Albright: Sanaa, Jerusalem, Gaza, Beirut, Damaskus, Amman und Kairo. Bundesaußenminister Joschka Fischer klapperte den Nahen Osten in nur fünf Tagen ab, bevor er gestern Richtung Paris flog, um in die dortigen Kosovo-Verhandlungen einzugreifen.
Im Nahen Osten bewegte sich Fischer nicht primär als deutscher Außenminister, sondern als amtierender EU-Ratspräsident – und befand sich damit in Konkurrenz zu seinen US-Kollegen. Die arabischen Staaten fordern seit langem eine aktivere Rolle der Europäer in der Region. Ihnen gelten die US-Bemühungen als proisraelisch. Tatsächlich betrachtet Israels Regierung die USA als einzigen akzeptablen Vermittler.
Besonders Frankreich und Großbritannien zeigen sich dagegen den arabischen Bitten gegenüber aufgeschlossen – nicht ausschließlich, weil sie ein orginäres Interesse an Frieden in der Region haben. Die beiden ehemaligen Kolonialmächte pflegen gerne Sonderbeziehungen zu potentiellen Handelspartnern, Frankreich in Syrien, im Libanon und im Iran, Großbritannien am Golf. Dabei scheuen sie auch vor Initiativen nicht zurück, die in Israel Empörung auslösen. Erinnert sei an den Libanon-Besuch des französischen Präsidenten Jacques Chirac und den Eklat, den der britische Außenminister Robin Cook bei seiner Visite der Siedlungsbaustelle Har Homa bei Jerusalem auslöste. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu weigerte sich draufhin, den Briten zum Essen zu empfangen.
Fischer hat bei seiner ersten Nahost-Reise als Außenminister zu verstehen gegeben, daß er sich solche Eskapaden nicht erlauben wird. Zwar waren seine meisten Erklärungen von kinkelscher Qualität: Er sei beunruhigt über den Stillstand in den Friedensbemühungen und die Alternative zum Friedensprozeß heiße Krieg, übte er sich in Allgemeinplätzen. Doch an zwei Punkten wich er vom neutralen Kurs ab. In Beirut pochte er beim Thema israelische Besatzung des Südlibanon zum Ärger seiner Gastgeber auf Israels Sicherheitsinteressen. Und in Jerusalem erklärte er, im Nahen Osten spielten nun einmal die USA die „zentrale Rolle“, Europa könne diese gar nicht ausfüllen. Trotz seiner Reiseroute ist damit klar, daß Fischer seinen US-Kollegen nicht ins Gehege kommen will und im Zweifel näher zu Israel stehen wird als zu arabischen Staaten. Eine aktivere Rolle im Nahen Osten wird die EU so nicht spielen können – jedenfalls nicht unter der Führung von Ratspräsident Fischer. In Jerusalem kann man damit zufrieden sein und sich von den Europäern wünschen: Mehr Fischer und weniger Cook. Thomas Dreger
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