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Die Zeichen stehen auf Eskalation

Nach dem Scheitern von Rambouillet birgt eine neue Offensive für Milošević kein Risiko. Auch die Kosovo-Albaner plädieren für Fortsetzung des Befreiungskrieges  ■ Von Andreas Zumach

Genf (taz) – Nach dem weitgehenden Scheitern der Konferenz von Rambouillet ist für die Zeit bis zu den geplanten Folgeverhandlungen ab 15. März mit einer Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzungen im Kosovo zu rechnen. Zahlreiche Anzeichen in den letzten 48 Stunden deuten auf eine bevorstehende großangelegte militärische Offensive serbischer Einheiten gegen die Befreiungsarmee der Kosovo-Albaner, UČK. In der südserbischen Provinz sind derzeit 12.000 mit schweren Panzern bewaffnete Soldaten stationiert sowie rund 13.000 Angehörige paramilitärischer Polizeieinheiten.

Seit Dienstag bezogen weitere 6.500 serbische Soldaten mit 250 Panzern und 90 Artilleriegeschützen Stützpunkte unmittelbar außerhalb des Kosovo; 600 Polizisten wurden in die im Norden der Provinz gelegene Stadt Kosovska Mitrovica verlegt. „Wir werden die albanischen Terroristen weiter mit allen Mitteln bekämpfen“, hatte Serbiens Präsident Milan Milutinović bei der Konferenz in Rambouillet am Dienstag vor seiner Abfahrt angekündigt.

Mit einer neuen Offensive gegen die UČK könnte Belgrad zum einen die Befreiungsbewegung aus von ihr gehaltenen Positionen verdrängen und damit ihre eigene Position für künftige Verhandlungen stärken. Zum zweiten kann Jugoslawiens Präsident Milošević kalkulieren, daß eine Eskalation der Kämpfe die Zustimmung der kosovo-albanischen Bevölkerung zu dem von ihrer Delegation in letzter Minute und nur unter Vorbehalt akzeptierten Autonomieplan der Balkankontaktgruppe zusätzlich erschweren dürfte.

Stimmt die kosovo-albanische Bevölkerung dem Plan nicht zu, braucht Milošević auch bei für den ab 15. März angesetzten Folgeverhandlungen keine Konzessionen zu machen – falls die Verhandlungen nach einer Ablehnung des Autonomieplans durch die kosovo-albanische Bevölkerung überhaupt noch stattfinden. Das Risiko von Nato-Schlägen als Reaktion auf eine Offensive seiner Armee und Polizei im Kosovo ist für Milošević äußerst gering – auch wenn verschiedene Erklärungen aus der Clinton-Administration und dem Brüsseler Nato-Hauptquartier seit Dienstag abend einen anderen Eindruck zu erwecken suchen.

Denn die erheblichen Differenzen über Nato-Luftschläge in der Kontaktgruppe wie der Nato sind noch größer geworden, nachdem die Delegation der Kosovo-Albaner den Autonomieplan nicht endgültig und ohne Vorbehalt angenommen hat. Auch die Bereitschaft der USA zu Nato-Luftschlägen ist deutlich gesunken.

US-Außenministerin Madeleine Albright empfindet das dürftige Konferenzergebnis auch als persönlichen Fehlschlag. Äußerungen von US-Diplomaten seit Dienstag abend lassen Verbitterung erkennen über die kosovo-albanische Delegation. Insbesondere über den Leiter und UČK- Vertreter Hasim Thaqi sowie den Chef des politischen Flügels der UČK, Adem Demaći. Demaći hatte die Teilnahme an den Verhandlungen abgelehnt, in den letzten zwei Konferenztagen der Delegation aber zur Ablehnung des Autonomieplanes geraten. In einem Telefonat am Dienstag hatte Albright ihn nicht umstimmen können. Gestern ließ Demaći verkünden, die UČK werde „ihren Befreiungskrieg fortsetzen“.

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