: Wasserwerker werden trockengelegt
■ Das Konsortium Vivendi/RWE, das sich um den Kauf der Berliner Wasserbetriebe bewirbt, geht bei einer Privatisierung des landeseigenen Konzerns von einem Arbeitsplatzabbau von 2.000 Stellen und mehr aus. W
Nach der bevorstehenden Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) droht den Beschäftigten dort ein Stellenabbau von 2.000 Stellen und mehr. Zugleich wird die Vernichtung von Arbeitsplätzen nicht dadurch ausgeglichen werden können, daß der Konzern und seine privaten Besitzer Ersatzjobs in ausreichender Zahl schaffen. Das geht aus Äußerungen des französischen Wasser- und Dienstleistungskonzerns Vivendi und der deutschen RWE hervor, die sich gemeinsam um den Kauf von 49,9 Prozent der BWB bewerben.
Mehrere internationale Konsortien, neben Vivendi/RWE auch der britische Konzern Severn Trent Water und die französisch- deutsche Gruppe Lyonnaise des Eaux/Thyssen, konkurrieren beim Senat um den Zuschlag für knapp die Hälfte der BWB-Aktien.
Ulrich Mutschler, Vorstandsmitglied der RWE Umwelt AG, sagte gestern in Essen, daß bei den Privatkonzernen Vorstellungen existierten, rund ein Drittel – also 2.000 – der noch 6.000 BWB-Arbeitsplätze abzubauen. Dies würde weit über das hinausgehen, was die Gewerkschaft ÖTV befürchtet, die von einem Abbau von 1.500 Beschäftigten spreche. Nach Ansicht von Experten der privaten Wasserwirtschaft ist damit zu rechnen, daß die BWB ihre Aufgaben auch mit der Hälfte des gegenwärtigen Personals erledigen könnte. Auch ohne Privatisierung der landeseigenen Wasserbetriebe ist der Stellenabbau unvermeidlich, doch würde er vermutlich geringer ausfallen und langsamer durchgesetzt.
Zwar versprechen Vivendi (früher Général des Eaux) und RWE ebenso wie die anderen Bewerber, die Reduzierung „sozialverträglich“ zu bewerkstelligen, auf Kündigungen zu verzichten und Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. Ob die aber den Jobabbau ausgleichen, steht dahin. Konkrete Zahlen für neuen Stellen nannten die Unternehmen nicht. Walter Mende, Bürgermeister der Stadt Leverkusen und Mitglied des RWE-Aufsichtsrates, sagte, daß nach der Teilprivatisierung der Leverkusener Stadtwerke zugunsten der RWE die Zahl der Arbeitsplätze gesunken sei und diese durch zusätzliche Aktivitäten nicht ausgeglichen werden konnten.
Vivendi hat bereits einige Verwaltungseinrichtungen von anderen Orten nach Berlin verlegt. Außerdem plane man, die Wasserbetriebe zum „zentralen Projekt“ des Konzerns im Hinblick auf Osteuropa zu machen, sagte Vivendi- Vorstand Daniel Caille. Von Berlin aus will sich das französisch- deutsche Konsortium um die Privatisierung von Wasserversorgern in Polen, dem Baltikum und anderen osteuropäischen Staaten kümmern, was auch in der deutschen Hauptstadt neue Arbeitsplätze schaffen soll.
Die bislang krankende Telekommunikationsfirma Berlikom, eine Tochter der Wasserbetriebe, solle zu einem „blühenden City- Carrier“ werden, der Unternehmen und Behörden verbinde, sagte RWE-Vorstand Richard Klein. Die verlustbringende BWB-Abfallfirma Schwarze Pumpe dagegen müsse mit herben Einschnitten rechnen.
Klein sagte an die Adresse des Senats, daß die Politik nicht alle ihre Ziele erreichen könne, die sie mit dem Verkauf der Wasserbetriebe verbinde: hohe Einnahmen zugunsten der Landeskasse, teure Investitionen seitens der Privatkonzerne, stabile oder sinkende Wasserpreise für die Verbraucher und eine sichere Beschäftigung. An manchen Punkten, so das Credo der Vivendi/RWE-Manager, müsse der Senat Abstriche machen. Für die Wasserpreise prognostizierte Daniel Caille, daß sie in Zukunft sinken würden. Bis zum 9. März will Vivendi/RWE ebenso wie die anderen Bewerber ein verbindliches Angebot für den BWB- Kauf abgeben.
Bis Ende März will SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann- Heesing einen Käufer auswählen, damit sie die erwarteten Einnahmen von rund 2 Milliarden Mark noch in den Haushalt für das Jahr 1998 einstellen kann. Hannes Koch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen