: Der Gipfel nach dem Gipfel
■ Das Ergebnis ist kein Ergebnis: Bei ihrer Medienkonferenz beschlossen die Länderchefs zwar neue Regeln bei der Werbung. Wichtige Fragen zur ARD-Zukunft aber wurden wieder vertagt
Zum Schluß hatten die Teilnehmer auf die heilsame Wirkung des Zeitdrucks vertraut. Und auf die Angst vor einer großen Peinlichkeit. Doch auch das hat nichts genützt: Bei ihrer Sonderkonferenz einigten sich die Länderministerpräsidenten am Donnerstag abend in Bonn nur bei den weitgehend unstrittigen Fragen. Für alle anderen wurde ein erneuter Sondergipfel im Herbst angesetzt. Da soll es vor allem um die Zukunft der ARD gehen.
Dabei hatten die Länder es allen zeigen wollen: daß die spezielle deutsche Form der Mediengesetzgebung, bei der sich die 16 für Medienfragen zuständigen Bundesländer auf einen Staatsvertrag einigen müssen, gegenüber allen Angriffen von außen gerüstet ist.
Alle Ergebnisse stammen aus einem EU-Gesetz
Denn manch einer sieht die komplizierte deutsche Rundfunkrechtsordnung bedroht – durch die rasante Entwicklung auf dem Medienmarkt und durch die Regelungsbegehrlichkeiten der Bundesregierung und vor allem der EU. Doch nun liegt das Hauptergebnis des Gipfelgesprächs der Länder darin, daß sie es fertigbringen, die schon vor zwei Jahren beschlossene EU-Fernsehrichtlinie umzusetzen, wozu die Bundesrepublik eigentlich schon bis spätestens 1998 verpflichtet war.
Auch die von den Ministerpräsidenten beschlossenen neuen Regelungen für Werbung im Privatfernsehen sind Teil des Brüsseler Gesetzes. Bislang wurde den Privatsendern genau vorgeschrieben, wann und wieviel Werbung sie senden dürfen. In Zukunft werden sie mehr Freiheit bei der Plazierung von Reklamespots haben. Derzeit dürfen Spielfilme nur alle 45 Minuten durch Werbung unterbrochen werden – also höchstens einmal, wenn sie nicht länger als eineinhalb Stunden sind. Bei anderen Sendungen ist alle 20 Minuten Werbung erlaubt. Künftig kann der Reklameblock zu jedem beliebigen Zeitpunkt gesendet werden. Außerdem dürfen die Sender bei Spielfilmen öfter werben, weil sie Moderation und Werbung bei der Filmlänge mitrechnen können. Das aber haben sie längst schon praktiziert, auch wenn einzelne Sender dafür immer mal wieder vor Gericht baden gingen. Zur Werbung beschlossen die Länder außerdem, daß die Privatsender künftig drei Stunden Teleshopping am Tag senden dürfen statt bisher einer.
Mit der Übernahme des EU- Gesetzes werden künftig auch auch die sogenannten Schutzlisten für Sport im Pay-TV anerkannt, die die EU beschlossen hatte. Damit erhielten die EU-Staaten das Recht zu verbieten, daß bestimmte Sportereignisse nur noch gegen Extragebühr im Abofernsehen gesendet werden.
Weiterhin beschlossen die Länder mehr Möglichkeiten für Pay- TV-Sender, Sex- und Gewaltfilme zu zeigen. Wenn die Bezahlsender im Digitalfernsehen technische Schaltungen einbauen, die solche Filme extra verschlüsseln und somit die Jugend vor ihnen schützen, dann fallen die Vorschriften, die solche Filme bisher in die späte Nacht verbannen.
Aber eigentlich hatte die Runde ja eine Lösung im ewigen Streit um den sogenannten ARD-Finanzausgleich finden wollen, der öffentlich kaum mehr erklärbar ist. Denn es geht eigentlich nur um die Frage, ob die ARD von den elf Milliarden Mark Rundfunkgebühren, die sie im Jahr bekommt, 120 Millionen Mark intern umverteilen darf: von den reichen Sendern (wie WDR, BR und MDR) an die armen Sender Radio Bremen, Saarländischer Rundfunk und vielleicht auch an den Sender Freies Berlin. Doch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), der zusammen mit seinem sächsischen Kollegen Kurt Biedenkopf den Streit einst angezettelt hatte, ließ sich nicht erweichen, einer weiteren Geldumverteilung in der ARD zuzustimmen.
Der absurde Streit um die ARD geht weiter
Gerade zu einer Zustimmung zu den Digital- und Online-Angeboten der Öffentlich-Rechtlichen sowie zu einer Erlaubnis für die Kanäle Kinderkanal und Phoenix waren die Unionsländer bereit.
Nun werden alle ARD-Fragen auf den Oktober verschoben. Immerhin ist das mal etwas Neues. Denn damit haben die Länder erstmals von dem Prinzip Abstand genommen, daß einem Löffelchen von den Unionsregierungen für die Privaten immer ein Löffelchen von den SPD-Ländern für ARD und ZDF zu folgen hat. lm
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