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Press-SchlagKeine Antworten zu Schmitt und Hannawald

■ Falls das jemand interessiert: Die Ski-WM besteht aus mehr als deutschen Skispringern

Verzeihung, Deutsche, Deutscher! Hier noch eine Meldung von der nordischen Ski-WM in Ramsau, mitten hinein in Deine Freudetrunkenheit über die deutschen Skispringer, auch wenn das jetzt vielleicht gar nicht paßt. Denn diesmal geht es nicht um die sauberen Jungs des Sprung-Bundestrainers Heß, die zweimal Gold gewonnen haben, mindestens – im Team- Bewerb und im Einzel von der Großschanze durch den nach Aussage mehrerer Mädchen „süßen“ Martin Schmitt sowie einmal Silber durch Sven „Hanni“ Hannawald. Und die Herzen der ganzen Welt, mindestens.

Hier geht es jetzt aber um Langlauf. Ja, Deutscher, Langlauf, das ist auch eine Disziplin des nordischen Skisports.

Im Langlauf nämlich ist wieder Sehenswertes passiert gestern beim Staffelrennen der Männer. Da hat Österreich vor Norwegen gewonnen, und zwar nach atemberaubendem Spurt zwischen Christian Hoffmann und Thomas Alsgaard. Der Dachstein wackelte, die Ramsau und natürlich der ÖSV- Cheftrainer Walter Mayer (vgl. taz von gestern), als Schlußläufer Hoffmann im Zielspurt den norwegischen Olympiasieger niederkämpfte und den allerersten Langlauf-WM-Titel für Österreich sicherte. 1:35:07,5 Stunden gegen 1:35:07,7 – ein monumentales Drama. Wirklich. Dritter wurden die Italiener und Vierter – Jubel der verloren geglaubten teutonischen Ausdauerkraft – die Deutschen.

Wie bitte, Deutscher? Das interessiert Dich nicht? Willst lieber Neuigkeiten aus dem Horst der deutschen Adler? Hast andere Fragen? Ob Schmitt schon vergeben ist, Dieter Thomas Sohn wieder gesund, Hannawald sich mit Berater Henry Maske manchmal knufft. Tut uns leid, Deutscher, nicht einmal das Ergebnis des Bewerbs von der Normalschanze haben wir parat, weil der gestern erst zur Fernseh-Prime-time angepfiffen wurde – und natürlich aus Prinzip, Du verstehst.

Einstweilen könnten wir aber nochmal analysieren, daß es schon auffällig ist, wie ganze Programmteile einer nordischen Ski-WM aus dem Interessenfeld Sportbegeisterter fallen, sobald nicht Athleten eigenen Passes Siegchancen haben. Daß die deutsche Frauenstaffel über 4x5 Kilometer überraschend Dritte wurde, muß schon komisch gewesen sein für Dich, Deutscher. Huch, wirst Du Dir gedacht haben, da hat ja wer in Schwarzrotgold was gewonnen, und ich hätte es fast nicht mitgekriegt. Dabei lohnte es sich in Ramsau wie immer, auch Disziplinen zu verfolgen, in denen die Landsleute nichts zu bestellen hatten: Die Loipenkämpfe dieser WM haben den Sport wie derum viele erzählenswerte Geschichten bereichert.

Zum Beispiel um jene vom norwegischen Langlauf-Heros Björn Dählie, dem emsigsten Medaillensammler der olympischen Historie. Was hat der gekämpft, um Anschluß zu halten – und ist dabei böse gestrauchelt: Einmal Dritter, einmal Zweiter wurde er immerhin, war aber als Fünfter im klassischen 10-km-Rennen und als Sechster in der 15-km-Verfolgung schwer geschlagen. Oder jene von Thomas Alsgaard. Der mußte sich bei den norwegischen Landesmeisterschaften arg strecken, um überhaupt mitreisen zu dürfen zur WM – dann sprintete er in der Verfolgung zum Titel.

Tja, Deutscher, davon hast Du gar nichts mitgekriegt, nicht wahr? Und von der flinken Italienerin Stefania Belmondo, zweifache Weltmeisterin? Oder vom eigenwilligen Finnen Mika Myllylä, ebenfalls zweimal mit Gold behängt, der sommers trainingshalber zwei Stunden bei Puls 170 bis 200 durch hüfthohen Sumpf rennt und nach der Wahl zum finnischen Sportler des Jahres 1998 so beleidigt war, daß er einer traditionellen Bootsfahrt mit Journalisten fernblieb? Bloß weil der Formel-1-Weltmeister Mika Häkkinen vor ihm siegte? Nichts gehört davon vor lauter Champagnerlaune wegen Schmitt?

Schade. Aber gräme Dich nicht, Deutscher. Wahrscheinlich sind die Finnen nicht besser. Die Österreicher sowieso nicht. Nur diese Warnung, Deutsche, Deutscher, sei Dir auf den Weg gegeben, bevor Du 2001 bei der WM in Lahti wieder zuschaltest: Martin Schmitt ist früher ambitioniert langgelaufen, vielleicht wird er rückfällig. Schau das nächste Mal vorsichtshalber auch auf die Rennen in der Loipe. Nicht, daß Du was verpaßt. Fred Stein, Ramsau

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