: Fischer: Doppelspitze weg Müller: Das gibt blutige Nasen
■ Fischer und Trittin wollen die Grünen mit einer Parteireform aus der Krise holen. Die grünen Spitzenfrauen Müller und Radcke verteidigen ihren Anteil an der Macht. Auch Bundesgeschäftsführer Bütikofer will im Moment keine Strukturdebatte
Berlin (taz) – Die Grünen machen wieder einmal das, was sie am liebsten tun: Sie streiten, diesmal über die inhaltliche und strukturelle Erneuerung der Partei. Eine Woche vor der grünen Bundesversammlung haben Außenminister Joschka Fischer und Umweltminister Jürgen Trittin eine grundlegende Veränderung der Parteistrukturen sowie eine Abschaffung der Doppelspitze gefordert. Bei Fraktionssprecherin Kerstin Müller, Vorstandssprecherin Antje Radcke sowie Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer stießen diese Forderungen zum Teil auf heftigen Widerspruch. „Wir haben im Moment Wichtigeres zu tun, als eine Strukturdebatte zu führen“, sagte die Parteilinke Radcke der taz.
Auch für Bütikofer, der dem Realo- Flügel der Partei angehört, hat die Parteireform derzeit keine Priorität. „Wir müssen jetzt vor allem diskutieren, wie wir uns bei den anstehenden Wahlen in diesem Jahr präsentieren“, sagte der Bundesgeschäftsführer zur taz. Für die Wähler sei nicht entscheidend, wie viele Parteivorsitzende die Grünen hätten. „In der Bibel heißt es: Ein Jegliches hat seine Zeit“, so Bütikofer. „Auch Strukturdebatten unserer Partei haben ihre Zeit.“
Fischer sieht das offenbar anders. Für ihn gehören, so sagte er am Wochenende, programmatische Erneuerung, personelle Öffnung und Organisationsreform unlösbar zusammen. Um seine Partei in ihrer gegenwärtigen Krise wachzurütteln, gab er dem Spiegel ein Interview: „Die Krise bewältigt man nicht, indem man sich eine Parteistruktur leistet, die nicht belastungsfähig ist. (...) Für solche Krisen hält man sich dann die eiserne Reserve namens Fischer. Aber so geht das nicht.“
Fischer fordert, daß die Entscheidungen über die Parteistruktur bis zur Halbzeit der Legislaturperiode getroffen werden. Die Grünen müßten sich als Partei mit einem oder einer Vorsitzenden, mit mehreren Stellvertretern statt einer Doppelspitze organisieren. Das solle von der Kreis- bis zur Bundesebene gelten. Jürgen Trittin stimmte seinem innerparteilichen Konkurrenten in diesem einen Punkt zu. Im Anschluß an die in zwei Jahren auslaufenden Amtszeiten der Doppelspitzen in Partei und Fraktion müßten die Grünen darüber reden, „ob man die Verantwortung nicht klarer definiert“, sagte er.
Kerstin Müller sprach hingegen von Profilneurose und Machtverliebtheit der Männer. Wer die Doppelspitzen abschaffen wolle, werde sich „eine blutige Nase holen“. Parteisprecherin Radcke räumte gegenüber der taz ein, daß die Doppelspitze zu Reibungsverlusten führe. Wenn man sie abschaffen wolle, müsse man garantieren, daß nicht nur Männer an der Spitze stehen. Radcke forderte ebenfalls eine Beibehaltung der Trennung von Amt und Mandat: „Was passiert, wenn man gleichzeitig Minister und Parteivorsitzender ist, kann man ja im Moment bei der SPD beobachten.“ Jens König
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