Analyse: Euro? Ohne mich!
■ Die britischen Konservativen setzen auf ein neues altes Feindbild
Was machen eigentlich die britischen Konservativen? Wohl selten ist eine Partei, die ein Land 18 Jahre lang regiert hat, so sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden. Jetzt hat sie sich aber wieder zu Wort gemeldet: Es geht gegen den Euro.
Die Tories boykottieren den von der Regierung eingesetzten Allparteien-Ausschuß zu Fragen der Währungsumstellung, der sich vorgestern zum ersten Mal traf, als das Finanzministerium einen Bericht über die nächsten Schritte vorlegte. Ursprünglich hatten sie ihre Teilnahme zugesagt, doch nachdem Premierminister Tony Blair vorige Woche Einzelheiten seines „National Changeover Plan“ bekanntgegeben hatte, ordnete Tory-Chef William Hague den Rückzug an. Der Ton des „Nationalen Wechselplans“ war Hague zu Euro-positiv. Es handelt es sich dabei jedoch lediglich um ein Programm, das theoretische Fragen der Währungsumstellung behandelt, sollte Großbritannien dem Euro beitreten. Eine Entscheidung darüber fällt aber frühestens nach den nächsten Wahlen, die nicht vor 2001 kommen werden. Und auch dann müßten erst die Wähler in einem Referendum zustimmen.
Eigentlich wollten die Tories das leidige Europa-Thema vorläufig ausklammern, hat es doch für eine tiefe Spaltung der Partei gesorgt. Weil aber einige Freunde des Euro bei den Tories für die Europawahlen im Sommer eigene Kandidaten unter dem Namen „Pro-Euro Conservative Party“ aufstellen werden, trat Hague die Flucht nach vorne an. Die Dissidenten wollen ihm bei den Wahlen eine vernichtende Niederlage beibringen, um ihn danach durch den Euro-Fan und ehemaligen Schatzkanzler Kenneth Clarke zu ersetzen.
Hague setzt nun auf die „New Europe Group“, die sich als „proeuropäisch, aber anti Euro“ bezeichnet. Treibende Kraft der parteiübergreifenden Gruppe, die Anfang der Woche gegründet wurde, ist Lord David Owen, der in der Vergangenheit meist aufs falsche Pferd gesetzt hat: In der Labour-Regierung von James Callaghan 1976-79 war er Außenminister, in den 80ern gründete er seine eigene Sozialdemokratische Partei. Die meisten Mitglieder gingen später zu den Liberalen oder zurück zu New Labour, der Rest der Partei stieg rasant ab.
Nun soll Owen den Tories zu Profil verhelfen. Parteisprecher Francis Maude prophezeite, daß die Kampagne zu einem „Volksaufstand gegen den Euro“ führen werde. Er verglich die Anti-Euro-Bewegung mit den Massendemonstrationen für die Fuchsjagd und die Erhaltung des Landlebens, als Zehntausende durch London marschierten. „Überall in Großbritannien werden die Menschen gegen den Euro auf die Straße gehen“, sagte er, „und unsere Partei wird dabei sein“. Ralf Sotscheck
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