: Talkshow mit dem Chef
Gibt es bessere Wege ins Bewußtsein der Mitarbeiter als das Fernsehen? So denken viele Konzerne und senden ihr eigenes Angestelltenprogramm. Aber was mal als Zukunftsding galt, wird einfach kein großes Geschäft ■ Von Stefan Schmitt
Morgens, bevor die Kunden ihre Sparschweine bringen, müssen die Banker fernsehen. Fünf Mitarbeiterinnen sitzen in adretten Kostümen am rechten Ende eines hufeisenförmigen Tisches in einem Hinterzimmer einer Filiale der Hypovereinsbank an der Berliner Bismarckstraße. Vor ihnen steht ein großer Fernseher. Um Punkt acht flimmert „Prime-Time“ über den Schirm. Wie eine echte Nachrichtensendung sieht das Magazin aus: Die müden Angestellten sehen ein blitzblankes virtuelles Studio mit eingeblendeten Symbolfotos. Eine professionell lächelnde Ansagerin führt durch die Beiträge. Einer der Filme kündigt an, daß die Münchner bald die Visa-Karte anbieten werden. Zu Bildern aus Visa-Werbespots plaudert eine Stimme aus dem Off: Warum und wann die Plastikkarte ins Sortiment kommt, wie man sie dem Kunden anpreist und was sie kostet. „Das reicht für den normalen Angestellten völlig aus, um sich zu informieren“, sagt die Chefin. „Und es ist gar keine Arbeit“, findet die Jüngste in der Runde.
Ein Traum für richtig große Firmen: schickes, eigenes Fernsehen, digital über Kabel und Satellit in alle Büros und Filialen. Vor allem imagebewußte Konzerne, oft aus der Dienstleistungsbranche, leisten sich das firmeneigene TV- Programm – solche, die ihr blitzblankes Reklamebild über die Angestellten in die Welt hinaustragen wollen: Mercedes und die Deutsche Bank waren die ersten mit Business-TV. Der VW-Konzern und Kaufhof zogen nach, die Softwarefirma SAP will sich zur Cebit ihren TV- Kanal zulegen.
Nicht nur für die Firmen soll das Angestellten-TV das große Ding sein. Auch für die Zukunft der Fernsehbranche: „Mit der digitalen Technik können sie alles übertragen“, schwärmte Leo Kirch 1997 in Focus: „Fernsehprogramme, Dienstleistungsangebote und Firmenkommunikation.“ Die Digitalisierung macht die Bildqualität besser, die Übertragung billiger, und man hat plötzlich ganz viele Kanäle. Was hatte man nicht alles prophezeit, vom exotischen Kauffernsehen über Bildungsprogramme auf Abruf bis hin zu speziellen Kanälen für Schreiner oder Heilpraktiker. Aus der anonymen Massenkommunikation alten Typs würden zielgerichtete Angebote für ein klar abgegrenztes Publikum erwachsen. Anfangen sollte es mit Firmenfernsehen.
In fast allen der 1.400 Filialen der Hypovereinsbank gehört das zum täglichen Ritus: Nachrichten aus der Chefetage, Interviews und Talk-Häppchen bilden die Prime time des Firmenfernsehens „Via“. Business-TV ist für die Vorstandsetage eine Abkürzung ins Bewußtsein der Mitarbeiter. „Bessere Informationsverbreitung“ nennt es Josef Schießl von der Hypovereinsbank-Zentrale. Morgendliche Firmennachrichten im TV seien schneller als gedruckte Broschüren, eine Fortbildungssendung billiger als Schulungen außer Haus. Business-TV, heißt es, trage zur Kostenreduktion bei – langfristig gesehen. Denn beziffern will die Kosten noch niemand. „Man kann das nicht auf die Kostensenkung reduzieren“, sagt Schießl. Zwischen 30 und 50 Millionen Mark investieren die Münchner in „Via“, der Betrieb kostet jährlich rund 10 Millionen – ein Spielzeug, das sich nur ein Großkonzern leisten kann. Die Bewährungsprobe: Letztes Jahr fusionierten Hypo- und Vereinsbank. Da galt es beispielsweise, potentielle Entlassungsopfer zu beruhigen. „Eine riesige Kommunikationsaufgabe“, schwärmt Schießl, „da war Business-TV einfach perfekt.“
Denn natürlich wirkt eine schick dekorierte Talkshow mit souveräner Moderation zum Thema besser als die Betriebszeitung oder eine Durchsage. Der Firmenfunk lehnt sich bewußt an die Optik von Nachrichten- und Magazinsendungen an, versucht Seriosität auszustrahlen. Geschickt werden die Farben und Logos des Unternehmens eingebunden – Corporate Identity. Das sieht edel aus. So will man auch den kritischsten Mitarbeiter auf Firmenlinie einschwören. „Die Glaubwürdigkeit kommt auch aus der Präsentation“, weiß Andreas Weiss, bei n-tv für Business-TV zuständig. Der Nachrichtensender produziert gerade Pilotsendungen eines täglichen Magazins für die DGBank: „DGVision“. Die Produktion errinnert den Laien sehr an das Nachrichtenprogramm von n-tv. Plexiglastischchen, Moderatorin im roten Kostüm, im Hintergrund ein Bankenturm und Jingles im typischen n-tv-Stil. Die Beiträge sind oft mit Symbolaufnahmen unterfüttert. Wie will man irgendein Problem mit asiatischen Banken auch anständig bebildern?
Nur die Themenauswahl findet in der Kundenfirma statt. Bei „Via“ übernehmen vier Banker und PR-Leute in der Münchner Zentrale die Programmplanung. Den Rest erledigt die Produktionsfirma Bavaria Interactive: aufbereiten, filmen und per Astra-Satelliten verschlüsselt an die Filialen schicken. Durchs Kabelnetz und Kirchs Digitalfernsehdecoder d-Box geht es natürlich auch.
Bis zu 3.000 Mark kann eine Minute Business-TV kosten. „Die Gewinnmöglichkeiten sind aber relativ gering“, behauptet Wolfgang Neuber, beim Privatfunk- Verband VPRT für die Business- TV-Anbieter zuständig. „Keiner wird reich damit“, sekundiert Andreas Weiss von n-tv. Aber: Ein gutes Geschäft sei es für n-tv trotzdem, weil es die Auslastung der teuren Studiotechnik erhöht.
So dachten viele, bei denen mal ein Studio leer stand: Außer n-tv der Privatsender Pro7, die Produktionsfirmen der Bertelsmann- Tochter CLT-Ufa, Taunus-Film und Bavaria-Film. Taunus gehört dem Hessischen Rundfunk, an Bavaria ist der BR beteiligt. Über die Business-TV-Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen regten sich in der Vergangenheit die Privatsender gern mal auf – die würden ihnen mit Gebührengeldern das Geschäft wegschnappen.
Der breite Markt scheint indes bislang kein großes Interesse an der Sache zu haben. „Man kann noch nicht richtig von einem Markt sprechen“, meint Neuber. „Der Hype verfliegt im ganzen Bereich etwas.“ Jährlich werden Prognosen nach unten korrigiert, zugleich wird der baldige Durchbruch beschworen. Auch als Firmen-TV bleibt TV eben TV. Wer möchte schon in dem Medium, das sonst Entspannung verspricht, frühmorgens den Chef dozieren sehen?
Auch mögliche Anbieter sind skeptisch: 1997 beschloß Microsoft nach einer Versuchsphase, in Deutschland lieber doch kein Business-TV einzuführen. Die Windows-Weltfirma hat mit einer Kombination von Videoclips, Grafiken und anderen Dateien im Intranet bessere Erfahrungen gemacht. Reines Fernsehen war da zu statisch. Weiterer Vorteil: Über die Hausnetze, die immer mehr Firmen betreiben, kann man Gruppen und einzelne Mitarbeiter noch gezielter ansprechen. Sogar ganz persönlich.
Dann hätte man endlich das individuelle Programm – auch so ein alter Traum der Digital-TV-Visionäre, bei dem es länger brauchen dürfte als gedacht, bis er wahr wird.
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