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Koalitionsvertrag aus der Mikrowelle

■ Nach nur 40 Tagen Koalitionsverhandlungen ist das christliberale Bündnis in Hessen perfekt. Roland Kochs Küchenkabinett steht

Wiesbaden (taz) – Hobbykoch Koch hat angerichtet, und das in Rekordzeit: Ein Koalitionsvertrag aus der Mikrowelle? In nur 40 Tagen haben CDU und FDP in Hessen auf allen Feldern der Politik zueinander gefunden und schon das „Küchenkabinett“ des nächsten Ministerpräsidenten, Roland Koch (CDU), vorgestellt.

Auf neun Ministerien haben sich Koch und seine Stellvertreterin, die designierte Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Ruth Wagner (FDP), verständigen können. Die FDP wollte acht, die CDU zehn Ressorts. Man traf sich in der Mitte. „Kein Formelkompromiß“, so Koch bestimmt. Jeder habe etwas abgegeben; und auch generell sei bei den Verhandlungen keiner über den Tisch gezogen worden.

„Fair und partnerschaftlich sind wir miteinander umgegangen“, betonten Koch und Wagner gestern vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages im barocken Musikzimmer des Landtages immer wieder. Mit dem Zuschnitt der Ministerien hätten Union und FDP „Zeichen gesetzt“, hieß es. Das problematische „grüne“ Superministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit wurde zerschlagen. Wenn die Minister und der Ministerpräsident am 7. April vereidigt sind, wird es in Hessen wieder das klassische Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten geben. Der Energiebereich wird dem neuen, von Dieter Poschner (FDP) geführten Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung zugeschlagen. Und es wird wieder ein richtiges Sozialministerium in der Hand der Union geben. Sieben Ministerien, darunter das Innenministerium, das vom eloquenten „Hardliner“ Volker Bouffier geleitet werden wird, der einmal für Gießen in der Bundesliga Basketball spielte, fallen an die Union; zwei an die FDP.

Der Koalitionsvertrag ist ein auch inhaltlich dünnes Papier. Auf knapp sechzig Seiten werden die Themen oft nur angerissen. Koch und Wagner haben sich auf „einige Schwerpunkte“, so Koch, konzentriert: Bildung und Ausbildung etwa, ein „Thema des 21. Jahrhunderts“ (Wagner). Und „Arbeitsplätze mehren“ will die neue Koalition ebenso wie schnell die „Innere Sicherheit erhöhen“.

Da wurden Pflöcke eingerammt: Die Schleierfahndung wird in Hessen eingeführt und der „Unterbringungsgewahrsam“ für potentielle Störenfriede auf sechs Tage verlängert. „Wachpolizisten“ mit Angestelltenverträgen sollen den Dienst aufnehmen und Freizeitpolizisten die „Wachpolizisten“ und die richtigen Polizisten unterstützen. Die „Integrationspolitik“ von CDU und FDP sieht die Auflösung des Landesausländerbeirates vor. Dafür sollen auf Landesebene ein Fachbeirat, der die Landesregierung „in allen Fragen der Integration“ beraten soll, und ein Beirat für „Heimatvertriebene“ installiert werden.

Union und FDP wollen Angehörige der zweiten und dritten Zuwanderergeneration verstärkt in den öffentlichen Dienst aufnehmen, speziell in den Polizeidienst. Und wie verhält sich die neue Koalition im Bundesrat etwa bei der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts? Komme eine Einigung nicht zustande, so Wagner, werde sich die Koalition der Stimme enthalten. An der Kernenergie (Biblis) wollen Union und FDP festhalten und den Flughafen „mit einer neuen Landebahn“ ausbauen. Durch welchen Wald die Trasse dafür geschlagen werden soll, sagen uns CDU und FDP aber erst „nach der Jahrtausendwende“. Klaus-Peter Klingelschmitt

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