: Rußlands freie Berichterstattung endgültig a.D.
■ Die jüngsten antijüdischen Ausfälle geben Rußlands Kommunisten keinen Anlaß zur Sorge. Im Gegenteil: Mit einem Rundfunkrat wollen sie das staatliche Fernsehen jetzt auf Linie bringen
Über mangelnde mediale Aufmerksamkeit kann sich Rußlands kommunistische Partei (KPRF) nicht beklagen. Jedenfalls nicht, seit ihr prominentes Mitglied Albert Makaschow durch judenfeindliche Ausfälle auffiel. Die zivilere Minderheit des Parlaments läßt keine Gelegenheit ungenutzt, den vermeintlichen Internationalisten ins Gewissen zu reden und sich öffentlich von der rassistischen Hetze des Generals a.D. zu distanzieren. Jüngster Vorfall: In Rostow am Don gründete Makaschow unter frenetischem Jubel antisemitischer Kosaken die „Bewegung gegen Jidden“.
Die kommunistischen Parlamentarier halten die Aufregung in den Medien nicht nur für lästig, sondern auch für völlig unbegründet. Und nicht wenige sehen darin einen erneuten Beweis, daß die unsichtbare Hand der zionistischen Weltverschwörung gegen die nationalbolschewistische Sache zu Werke geht.
Die Duma- und Präsidentschaftswahlen in den kommenden 15 Monaten fest im Visier, lancieren die Kommunisten einen Gegenangriff. In einer Resolution „über die Quellen des politischen Extremismus“ bezichtigt die Fraktion die Medien, der wahre Urheber extremistischer Haltungen zu sein. „Mit aus dem Kontext gerissenen Aussagen“ wolle man die Volksvertreter gezielt diskreditieren, klagt die Kommission. „Psychologischer Terror und künstlich aufgebauschte Probleme“ seien vielmehr das Machwerk „einer Reihe von TV-Sendern, Zeitungen und der hinter ihnen stehenden Kräfte“. Wer das im einzelnen ist, muß man in Rußland keinem erklären. Jeder versteht sofort, daß die Kommunisten es auf die jüdischen Finanzmoguln und Medienzaren, Beresowski und Gussinski, abgesehen haben.
Die KP-Fraktion gedenkt deshalb, eine Art Rundfunkrat zu gründen, der über die Einhaltung der Moral zu wachen habe. In erster Runde hat ihren Gesetzesantrag jetzt der Föderationsrat angenommen, die Zustimmung des Präsidenten Jelzin ist hingegen ungewiß. Dem Rundfunkrat sollen paritätisch Vertreter aus Unter- und Oberhaus des Parlaments, des Präsidenten und der Regierung angehören. Was nach außen den Anschein erweckt, man sei auf dem besten Weg ziviler Verfahrensregulierung gesellschaftlicher Konflikte, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als pures Gegenteil. Die selbsternannten Hüter öffentlicher Moral sorgen sich nicht so sehr um Sauberkeit und Sitte als vielmehr um die ungehinderte Verbreitung ihrer (juden)reinen Lehre. Der Rat soll nicht nur empfindliche finanzielle Sanktionen verhängen, sondern auch unliebige Intendanten absetzen können. Und in einem Wahljahr wäre das von weitaus größerem Nutzen als selbst der freigiebigste Mäzen und Sponsor. Klaus-Helge Donath
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen