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Viel Streit um nichts

■ Weil der Berliner "Sozialpalast" neben sozialem Zündstoff für Zoff unter Journalisten sorgte, gibt es nun zwei Filme über den Wohnsilo

Der „Sozialpalast“ ist ein Stück Berliner Geschichte. Dort, wo auf 48 Meter Höhe und 210 Meter Länge 2.000 Mieter unterschiedlichster Kulturen wohnen, stand der legendäre Sportpalast, der 1910 als damals größter Eispalast der Welt eröffnet wurde. Legendär waren der erste Meistertitel des Boxidols Max Schmeling im Halb- Schwergewicht und die Sechstagerennen. Gegen Ende der zwanziger Jahre wurde der Sportpalast zunehmend für politische Großkundgebungen genutzt, für die Nationalsozialisten wurde er zum Symbol ihres Aufstieges, Joseph Goebbels propagierte dort den „totalen Krieg“. Als der Sportpalast 1944 durch Bomben zerstört wurde, folgten Wiederaufbau, Eisrevuen, Boxabende und Sechstagerennen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten führten schließlich zum Verkauf und 1973 zum Abriß.

Nur vier Jahre später stand an derselben Stelle ein Komplex mit Sozialwohnungen nach Bauplänen von Jürgen Sawade. Letztes Jahr war wieder von Abriß die Rede. Schuld waren „soziale Bomben“ wie Vandalismus, Kriminalität, Ungeziefer und ein überproportional hoher Ausländeranteil, die den Komplex in der Nähe des Potsdamer Platzes in Verruf gebracht hatten. Die Mieter kämpften erfolgreich für den Erhalt.

Obwohl die Abrißbirne nicht mehr droht, sorgt der Sozialpalast noch immer für Zündstoff. Mieter klagen weiterhin über Ungeziefer, Müll, der aus Fenstern entsorgt wird, und Anonymität. Die Eigentümer, die Kommanditgesellschaft Wohnen am Kleistpark GmbH, versuchte, mit etwas Farbe, Wachschutz und Einrichtung einer Musterwohnung gegen das schlechte Image anzukämpfen. Nur: Noch immer herrscht die „Diktatur der Kakerlaken“, wie kürzlich eine Berliner Boulevardzeitung titelte. Als dann die Neue Berliner Filmgesellschaft (NBF) ohne ausdrückliche Genehmigung eine Reportage für die ZDF-Reihe „37 Grad“ drehte, platzte den Eigentümern der Kragen. Per einstweilige Verfügung wollten sie die Ausstrahlung der Reportage „Violettas schönster Traum“ verhindern.

Hintergrund waren Querelen zwischen der NBF und der Journalistin Stefanie Köhne, die der Filmgesellschaft zusammen mit Florian Brenner die Idee einer Reportage über den Sozialpalast angeboten hatte. Als es aber zu Diskrepanzen kam und die NBF ihre eigene Reportage machte, gingen auch bei Köhne, die viel Zeit in das Projekt investiert hatte, die Kragenknöpfe auf. Sie ging zum Hauseigentümer und bat um eine Exklusiv-Drehgenehmigung, die sie auch bekam. Sie durfte einen Film ohne „negative Grundtendenz“ machen, der „die positiven Erfolge“ bei der Sanierung zeigen mußte.

Da das Landgericht auch der Ausstrahlung der NBF-Reportage stattgab, gibt es nun zwei Filme über den Sozialpalast. Am Sonntag abend lief in „SpiegelTV“ die Dokumentation von Köhne und Brenner „16.000 Quadratmeter Hauptstadt“, die die befürchtete Hofberichterstattung nur insofern einlöst, als sich ein Vertreter des Mieterbeirats zu Wort melden darf. Doch dessen Phantasien von einer „Luxusherberge“ gerieten angesichts der zum Teil sehr erfrischenden Schilderungen der Bewohner zur lächerlichen Farce. Da zeigt die ZDF-Reportage „Violettas schönster Traum“, die das Schicksal von vier Frauen und Mädchen verschiedener Kulturen schildert, schon viel eher, daß man auch in einem „Monstergebäude“ leben kann. Barbara Bollwahn de Paez Casanova

„37 Grad“, 22.15 Uhr, ZDF

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